Samstag, 13. Juli 2013

Die NSA-Bespitzelungsaffäre und die Deutschen

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Der deutsche Innenminister war zu Besuch in den USA und wollte Auskunft über die kolossalsten Bespitzelungen nicht nur deutscher Politiker und der gesamten deutschen Bevölkerung, sondern auch aller Bürger dieser Welt erhalten; er kam mit leeren Händen zurück. Er wurde vom politischen „Frühstücksdirektor“ der US-Regierung, dem Vizepräsidenten, und dem Justizminister höflich empfangen. Abgespeist mit politischem Valium durfte er wieder von Dannen fliegen.

Schade, dass er sich nicht von der mutigen und streitbaren Justizministerin begleiten hat lassen, dann wäre das Treffen sicherlich politisch unterhaltsamer und effizienter gewesen. Sie scheint weit und breit die einzige zu sein, der die Bürgerrechte ein Anliegen zu sein scheinen. Sie sollte deshalb bis zu den Bundestagswahlen im September dafür sorgen, dass sich der Einsatz für den Schutz der Privatsphäre in Wählerstimmen ummünzt. Dieser weltweite Bespitzelungsskandal ist zum ersten Mal tatsächlich politisch „alternativlos“. 

Wer mit der politischen Message von einem angeblichen „Antiamerikanismus“ zum „Großen Bruder“ fliegt, scheint die politische Brisanz der Lage nicht begriffen zu haben. Nicht nur sind alle Deutschen, inklusive der politischen und wirtschaftlichen Klasse bespitzelt, abhört und gescannt worden, sondern auch alle europäischen „Freunde“. Selbst von diesen „Freunden“, mit denen man sich europäischen Allmachtphantasien hingegeben hat, sind die Michel-Deutschen bespitzelt worden. Wer so tut, als habe man von alledem nichts gewusst, sollte abdanken. Oder ist es einfach politisch kaltschnäuzig, den Ahnungslosen zu mimen? 

Auch die deutschen Geheimdienste kooperieren mit den anderen Diensten; sie bespitzeln die eigenen Bürger. Wer anderes angenommen hat, sollte sich ins politische Phantasieland begeben. Anstatt sich über die normale Arbeit von Geheimdiensten aufzuregen, denen man von politischer Seite sowieso nicht beikommt, sollte man die eigenen Spitzeldienste an die rechtliche Kandare legen und total kontrollieren; eine Auflösung wäre jedoch die beste Lösung, wie das Versagen bei den NSU-Morden belegt. Aber hier beginnt das Problem: Da alle Parteien im gleichen Boot sitzen, können sie nicht glaubhaft schreien: Haltet den Dieb!! 

Die „Rechtfertigung“, die weltweite Bespitzelung aller Bürger dieser Welt, würde angeblich dem „Kampf gegen den Terror“ dienen, ist ein politischer Vorwand, um die absolute Kontrolle über die Welt zu bekommen. In den USA wurde angeblich ein Terroranschlag durch diese Datensammelwut verhindert; der andere ist, Gott sei Dank, einem technischen Versagen geschuldet gewesen. Auch der geplante Anschlag der so genannten Sauerlandgruppe wurde durch die Monatelange Vor-Ort-Bespitzelung der Ermittlungsbehörden verhindert und nicht durch die rechtswidrigen Bespitzelungen der internationalen Geheimdienste. 

Wenn Deutschland und mit ihr die Europäische Union nicht völlig zur politischen Lachnummer verkommen wollen, sollten sie der totalen Kontrolle durch das US-Imperium Grenzen setzen, die aber politisch wehtun müssen. So sollte es keine Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen geben, solange die USA nicht ihre weltweiten Abhör- und Bespitzelungsaktionen einstellen. Deutschland sollte die geheimen US-Abhöranlagen der USA im Land schließen und die US-Spione ausweisen. Alle US-Atomraketen sollten von deutschem Boden verschwinden. Deutschland sollte endlich wieder souverän über sein eigenes Staatsgebiet verfügen. Oder gab es eventuell Geheimabsprachen im Rahmen des Zwei-Plus-Vier-Abkommens, das Deutschland angeblich seine Souveränität zurückgegeben hat? Auch müssten die USA ihre Gefangenlager auf Guantanamo schließen, in dem seit mehr als zehn Jahren Gefangene einsitzen, die man bis heute noch nicht angeklagt hat. „Die Stadt auf den Hügel“ erstrahlt in einem neuen, anti-demokratischen Licht! 

Im Zusammenhang mit der Weigerung, sich an einer US-Koalition der „Willigen“ am Überfall auf Irak zu beteiligen, erklärte der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass darüber in Berlin entschieden werde. Ein überaus mutiger Satz. Der Biograph der Rot/Grünen-Regierung, der Historiker Gregor Schöllgen, hat in seinem Buch „Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ geschrieben, dass man hinter diese Aussage nicht mehr zurück könne. Zeigt die jetzige Bundesregierung der Öffentlichkeit nicht, dass auch eine Rolle rückwärts möglich ist? 

Unglaublich ist, dass nach seiner Rückkehr aus den USA Innenminister Hans-Peter Friedrich das NSA-Spionage-Programm Prism verteidigt hat. Im ZDF rechtfertigte er das Abhörprogramm damit, dass 45 Anschläge weltweit durch Informationen des US-Geheimdienstes verhindert worden seien, 25 davon in Europa und fünf in Deutschland. Ob dies einer realistischen Prüfung stand hält? "Dieser edle Zweck, Menschenleben in Deutschland zu retten, rechtfertigt zumindest, dass wir mit unseren amerikanischen Freunden und Partnern zusammenarbeiten, um zu vermeiden, dass Terroristen, dass Kriminelle in der Lage sind, unseren Bürgern zu schaden." Die deutschen Pentagon-Journalisten der so genannten Leitmedien werden schon die passende politische Einordnung liefern. Wer sich nicht durch diese Politprosa beeindrucken lässt, hält alles weiterhin für einen politischen Skandal erster Güte, wie diese Oppositionspolitiker tun. 

Nach diesem Besuch wird alles so bleiben wie es ist. Der „Große Bruder“ wird weiter weltweit Telefontate abhören und aufzeichnen, auch die der politischen Klasse, ihre E-Mails kopieren, die Angebote deutscher Unternehmen vorab scannen, damit sie von US-Konzernen unterboten werden können, Bewegungsprofile von jedermann und jederfrau erstellen usw. Besonders letzteres wäre interessant für die Öffentlichkeit, um zu erfahren, wo die Volksvertreter während der Legislaturperiode so überall politisch aktiv sind. Dass sich die EU-Abgeordneten besonders echauffieren, überrascht nicht, da sie besonders machtlos und unbedeutend sind. 

Nach diesem alles aufklärenden USA-Besuch wird es in Deutschland keine Debatte über die totale Kontrolle der Michel-Deutschen mehr geben. Die Opposition kann politischen Radau erzeugen, wie sie will. Gegen eine „alternativlose“ Politik ist eben kein Kraut gewachsen, mag passieren, was will. Aus politischen Gründen sollte Deutschland Edward Snowden Schutz vor politischer Verfolgung durch die USA gewähren. Schuldeten wir dies nicht wenigstens unserer Polit-Hygiene?