Donnerstag, 29. Mai 2014

Die globale Überwachung oder No Place to Hide

Das Buch „Die globale Überwachung“ oder „No Place to Hide“ des Journalisten Glenn Greenwald ist ein Hit. Es toppt jeden Agenten-Thriller und dürfte ein Bestseller werden. Es liefert den Stoff für einen der spannendsten Blockbuster, den Hollywood jemals produziert haben dürfte. Das Ausspäh- und Überwachungssystem, das die USA im Zuge von 9/11 aufgebaut haben, ist total, das heißt, weltumspannend. Es bildet die Grundlage für eine neue Form des Totalitarismus, dem gegenüber sich die früheren totalitären Regime wie Waisenknaben ausnehmen. Nicht nur für die US-Amerikaner, sondern für jeden Menschen auf der Welt gibt es „no place to hide“ mehr. 

Glenn Greenwald hat bisher nur einen kleinen Teil der Dokumente veröffentlicht hat, die der NSA-Mitarbeiter Edward Snowden auf seiner Flucht mit genommen hat. Die Veröffentlichungen geben einen Einblick in die Machenschaften der US-Geheimdienste, die jede Vorstellungskraft sprengen. Dabei ist bemerkenswert, dass die US-Regierung eine Politik des doppelten Standards verfolgt. Beklagt die politische Klasse der USA einerseits die Kontrolle des Internets durch China oder lächerliche „petty dictators“, so schöpft sie selber den gesamten Internetverkehr auf der ganzen Welt ab. Die US-Regierung verstößt damit nicht nur in eklatanter Weise gegen die eigene Verfassung, ja sie hat diese durch den „Patriot Act“ quasi außer Kraft gesetzt, sondern auch gegen die Gesetze anderer Staaten wie zum Beispiel in Deutschland. Die Überwachung hat eine neue Dimension erreicht, weil das Internet das „Epizentrum unserer Welt – der Ort, wo sich praktisch das ganze Leben abspielt“, darstelle, so Greenwald. Im Buch kritisiert er massiv die Medien, die sich zu Bütteln der Regierung machen.

In fünf Kapiteln führt der Autor die Leser/innen in eine Welt ein, die selbst George Orwell in seinen kühnsten Träumen nicht antizipiert hätte. Für Greenwald sind die USA bereits ein „Überwachungsstaat“, und seine Medienkollegen sind nur noch „Marionetten“ in diesem Gruselkabinett. Sie nehmen nicht ihre Rolle als vierte Gewalt wahr, sondern erledigen die „Drecksarbeit“ für die Regierung. Sie greifen den Informant Edward Snowden an, besudeln ihn, und lassen die wahren Kriminellen in Washington wie Gentlemen dastehen. Übrigens: Die deutsche Ausgabe verzichtet auf den korrekteren Untertitel vom „US-Überwachungsstaat“ und begnügt sich nur mit den „Folgen“ der Geheimdienstaffäre.

Die Totalüberwachung der NSA macht auch vor so genannten Freunden wie Deutschland, Frankreich oder sogar Israel nicht halt. Sind nicht die wirklichen „Schurkenstaaten“ die USA und ihre Vasallen in Kanada und Großbritannien, die sich an der Ausspähung der ganzen Welt beteiligen? Die US-Regierung verfolgt Edward Snowden mit solch einer Inbrunst, dass Deutschland ihm politisches Asyl gewähren sollte, weil er ein politisch Verfolgter ist und in den USA keinen fairen Prozess bekommen wird. Er soll aufgrund eines antiquierten Gesetzes aus dem Jahre 1917 wegen Spionage angeklagt werden. Bei einer Verurteilung, die so sicher wie das Amen in der Kirche wäre, müsste er bis zum Ende seiner Tage in den Kerkern der US-Imperiums schmachten.

Snowden hat am 28. Mai zum ersten Mal dem US-amerikanischen Fernsehsender NBC in Moskau ein Interview gegeben, in dem er seinen Wunsch äußerte, unter gewissen Umständen in seine Heimat zurückzukehren, und er hat sich als Patriot bezeichnet. Eine aggressive Stellungnahme von US Secretary of State John Kerry kam postwendend, in der er Snowden einen „Feigling“ und „Verräter“ nannte. Warum bricht Kerry überhaupt noch zu seinen Weltumsegelungen auf, wo doch seine Regierung die Meinung der anderen Staats- und Regierungschefs schon im Voraus kennt? 

Die Bundesregierung hat bisher in der so genannten Snowden-Affäre keine gute Figur gemacht. Die Tricksereien seitens der Regierungsparteien im NSA-Untersuchungsausschuss um eine Einvernahme Snowdens in Berlin sind ebenso beschämend. Solange sich die Bundesregierung nicht von den USA emanzipiert und Souveränität demonstriert und Snowden in Deutschland Asyl gewährt, sollte er bleiben, wo er ist

Ein überaus spannendes und fesselndes Buch.

Erschienen hier und hier.

Montag, 26. Mai 2014

Von Basel nach Jerusalem. Ein Crash-Kurs

„Israel ist das Produkt eines Zionistischen Großraumprojekts, dessen Ergebnis heute eine rassistische Gesellschaft ist, die sich jüdisch national definiert und einen ethnisch reinen, ‚Jüdischen Staat‘ anstrebt. Um den bestehenden Jüdischen Staat ‚reinen Blutes‘ zu halten, hetzen fundamentalistische Rabbiner ihre Jüdischen Landsleute auf, keine Heirat mit Nicht-Juden einzugehen, keine Häuser und Wohnungen an Araber zu vermieten, usw.“ Dies sind nur einige Thesen, die sich in dem soeben erschienenen Buches von Viktoria Waltz finden.

Die Autorin ist eine ausgewiesene Expertin in Sachen Raumplanung und hat über Jahrzehnte an der Universität Dortmund dieses Fach unterrichtet. Neben ihren zahlreichen Veröffentlichungen zur Raumplanung und deren enormen gesellschaftspolitischen Implikationen in der Bundesrepublik Deutschland ist Waltz immer wieder auch ihrem internationalistischen Anspruch gerecht geworden. Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit gilt ihr Interesse Palästina, weil sich dort eine geplante Landnahme durch Kolonisation scheinbar am deutlichsten manifestiert.

Für die Expertin in Sachen Raumplanung geschieht nichts planlos. Dies trifft auch für das zionistische Kolonisierungsprojekt in Palästina zu. Dass die „Besiedelung“ der Westbank nicht planlos erfolgt ist, hat kein geringerer als der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Sharon selber bestätigt. Keine Kolonie sei aus einer Laune heraus entstanden, sondern deren Lage sei von Beginn an minutiös geplant gewesen. Genau diesen geplanten Landraub hat Waltz in ihrem Buch beschrieben.

Die Entstehungsgeschichte Israels hat weder etwas mit den biblischen Legenden vom „auserwählten Volk“ noch mit den Versprechen Gottes an Abraham zu tun; diese Mythen sind wissenschaftlicher Rationalität nicht zugänglich und stellen pure Glaubenssätze dar. Auch wurde Israel nicht gegründet, weil der deutsche eliminatorische Antisemitismus unter der Nazi-Barbarei ein kolossales Menschheitsverbrechen am europäischen Judentum begangen hat. Viel wichtiger war jedoch die Diplomatie der zionistischen Bewegung, die sich auf dem Ersten Zionistischen Kongress 1897 in Basel eine politische Organisationsform gegeben hat, um nach Jerusalem zu „reisen“. Aber ohne die internationalen „starken Kräfte“ wäre diese „starke Idee“ niemals Realität geworden, wie die Autorin anmerkt. Das „zionistische Projekt“ ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein „Crash-Kurs“ in Sachen Machtpolitik.

Ihrer zentralen These folgend, ist das „Projekt Israel“ einem schlichten Planungsprozess geschuldet, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Die „Raumergreifung“ sei ein zentrales Instrument der Kolonisierung. Dieser „Reise“-Plan konzentriere sich auf das Land eines anderen Volkes, des palästinensischen, dessen Existenz im Begriff ist, völlig zerstört zu werden. Es gehe um die Schaffung eines „reinen jüdischen Staates“, in dem kein Platz für die autochthone Bevölkerung sei, weil sie als „fünfte Kolonne“ und als „existentielle Bedrohung“ wahrgenommen werde.

Eine weitere zentrale These dieses Buches ist, „dass Israel sich von einem kolonialen Charter-Projekt darüber hinaus zu einem Projekt des rassistisch-religiösen Fundamentalismus entwickelt hat, der allerdings in einem scheinbar demokratischen Gewand daherkommt, denn die Demokratie gilt hier nur für Juden, und nur eingeschränkt für die Palästinenser in Israel und schon gar nicht für die Palästinenser in den 1967 besetzten Gebieten, oder die Syrer im Golan.“ Dieses „Expropriationswerk“, wie es einst der Gründungsvater des Zionismus, Theodor Herzl, genannt hat, läuft nicht im Geheimen, sondern vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab. Jeder sieht es, aber niemand protestiert dagegen.

In fünf Kapiteln beschreibt und illustriert Viktoria Waltz anhand zahlreicher Karten den Kolonisierungsprozess, beginnend in der Britischen Mandatszeit, über die Staatsgründung Israels 1948 und der Besetzung Rest-Palästinas in Folge des Juni-Krieges von 1967, um in seine Endphase nach dem so genannten Osloer Friedensprozess einzutreten und mit dem Bau der „Apartheid Mauer“ seinen krönenden Abschluss zu finden. Waltz beschreibt die verheerenden Auswirkungen dieser Mauer auf die Westbank, Ost-Jerusalem und den Gaza-Streifen. Diese Mauer ist ein zentraler Teil von Hindernissen, die die Bewegungsfreiheit der Palästinenser stark einschränken. Am Gravierendsten trifft dies den Gaza-Streifen, der einem „Ghetto“ oder „Freiluftgefängnis“ ähnelt, zu dem nur die Besatzungsmacht die Schlüsselgewalt besitzt.

„Die Apartheid-Mauer erfüllt also viele Zwecke, die allesamt der Zerstörung, Marginalisierung und dem Verfall der palästinensischen Gesellschaft dienen – neben der Tatsache, dass sie ein weiteres Instrument des Diebstahls an Eigentum, an Land und an den Naturressourcen des palästinensischen Volkes darstellt und gegen internationales Recht verstößt.“ Ost-Jerusalem werde von israelischen „Kolonien und Großkolonien“ geradezu stranguliert, parallel dazu findet ein „demographischer Kampf“ statt, der den Bürgern Ost-Jerusalems durch den Entzug ihrer Ausweise ihr Aufenthaltsrecht nimmt und sie so in die „Illegalität“ treibt. Ebenfalls werden Häuserzerstörungen in großem Stile in Ost-Jerusalem vorgenommen, weil sie ohne Baugenehmigungen errichtet worden sind. Die israelischen Behörden sagen jedoch nicht der Weltöffentlichkeit, dass sie keine Baugenehmigungen an Palästinenser in Ost-Jerusalem erteilen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums sind die Palästinenser folglich gezwungen, „illegal“ zu bauen.

Viktoria Waltz entlarvt das „zionistische Projekt Israel“ als ein „geplantes Programm der Usurpation Palästinas, der Enteignung und Vertreibung der autochthonen Bevölkerung “. Für die Autorin habe bisher ein „Crash“ den anderen abgelöst. „Von Basel nach Jerusalem“ ist ein „Reiseführer“ in das zionistische „Expropriationswerk“, das zum totalen Verschwinden Palästinas führen kann. Ein „eye-opener“ für jeden Nahost-Interessierten und eine überaus spannende und erhellende Lektüre.

Erschienen hier.

Samstag, 24. Mai 2014

On the Side of the Road

Die Nakba - die Katastrophe.
Der Dokumentarfilm „On the Side of the Road“ von Lia Tarachansky behandelt Israels größtes Tabu: die Nakba, die palästinensische Katastrophe, mit der sich die Mehrzahl der Israelis partout nicht auseinandersetzen wollen. Es waren die Zionisten, die Palästina kolonisierten, die Vertreibung, die Zerstörung der Dörfer und Städte sowie die Enteignung der ursprünglichen Bewohner des Landes ins Werk gesetzt haben.

Lia Tarachansky kam als sechsjährige mit ihrer Mutter aus Kiew in die Siedlerkolonie Ariel, die in der besetzten Westbank liegt. Dort wuchs sie auf und dort ist ihre Heimat. Sie ist Israelin, die ihr Land und seine Menschen liebt. Nachdem sie sich einige Jahre außerhalb der Kolonie aufgehalten hatte, wurde sie mit den Ereignissen von 1948 konfrontiert. Historisch betrachtet, geht jeder Enteignung von Menschen deren Dehumanisierung voraus.

2011 erließ das israelische Parlament, die Knesset, das so genannte „Nakba-Gesetz“, das es der Regierung ermöglicht, Organisationen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, mit hohen Geldstrafen zu belegen, wenn sie den israelischen „Unabhängigkeitstag“ als einen Tag der Trauer begehen. Die Dokumentation beginnt mit einer fröhlichen Feier des Unabhängigkeitstages.

Der Film zeigt auch den alltäglichen Rassismus in Israel und den Hass auf die Araber. Es gibt nur sehr wenige in Israel wie die ehemalige Palmach-Kämpferin Tikva Honig-Parnass, die eine öffentliche Konversion von einer überzeugten Zionistin hin zur Anti-Zionistin offensiv vertreten. Sie erwähnt die Hirnwäsche, der man seit Kindertagen bis zum Militärdienst hin ausgesetzt sei. „“We are the best in the land and they are nothing, human dust...human dust that it is almost a charity to fight them.” Honig-Parnass drückt ihr Erstaunen darüber aus, dass sie über Jahre der Erinnerungen an Wanderungen durch verlassene palästinensische Dörfer habe verdrängen können. Auch der Veteran Amnon Noiman, der heute in der NGO „Zochrot“ tätig ist, spricht offen über seine schockierenden Erfahrungen, als ihm die grausamen Dinge bewusst geworden sind, welche die Gründung des Staates Israel erst möglich gemacht haben.

Vielleicht gelingt es dem Dokumentarfilm, die kolonialistisch-paternalistische Haltung der politischen Klasse in Israel gegenüber dem palästinensischen Volk hin zu einer wirklichen Friedensbereitschaft zu transformieren.

Freitag, 23. Mai 2014

Regime-Change oder "Libanonisierung" in Syrien?

Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst zu einem blutigen Stellvertreterkrieg zwischen regionalen und internationalen Mächten geworden. Das Regime von Bashar al-Assad soll mit allen Mitteln von der Macht verdrängt werden, auf der Strecke droht das syrische Volk und der syrische Staat als Ganzes zu bleiben. Hier.


Mittwoch, 21. Mai 2014

Rettet Europa! Noch mehr Gründe, Europa gegen die EU zu verteidigen

Der Publizist Henryk M. Broder hat mit „Rettet Europa“ eine Fortsetzung seiner EU-kritischen Kuriositätensammlung „Die letzten Tage Europas“ als E-Book publiziert. Der Autor ist kein Antieuropäer, sondern ein „Europaskeptiker“. Was von der EU-Nomenklatura und der überwiegenden Mehrzahl der Medien als Kampfbegriff gegen die EU-Kritiker eingesetzt wird, empfindet Broder als „Auszeichnung“. 

Der EU-Adel geht mit seinen Kritikern ebenso um, wie weiland die ehemalige Sowjetunion. Was dort „Klassenfeinde“, „Kriegshetzer“ oder „Steigbügelhalter des Kapitalismus“ waren, sind heute „Europaskeptiker“, „Europafeinde“, „Europagegner“ oder schlicht „Populisten“. Bereits in seinem Vorwort legt der Autor ein Bekenntnis zu Europa ab. „Wir sind Europäer von Geburt an, anders als die Brüsseler Hohepriester, die Europa zu ihrem Beruf und ihrem Glauben gemacht haben und uns vormachen wollen, die EU sei Europa.“ Die EU-Nomenklatura führe einen Kampf um ihr politisches Überleben, sprich „um ihre Privilegien“. 

Broder hat so viele Absurditäten über die EU zusammengetragen, die alle Urteile der „Europakritiker“ weit übertreffen. Solange die EU jedoch noch so umtriebig ist, wie in „Ein Tag im Leben der EU“ beschrieben, scheint sie gegen ihren Untergang noch gefeit zu sein. Diese Umtriebigkeit hat einen Namen: Martin Schulz, den zukünftigen Möchtegern-EU-Kommissionspräsidenten, der zwar für die EU brenne, einen Aufnahmeantrag eines „Staates“ EU in die Europäische Union aber aus Demokratiedefiziten ablehnen müsste.

Der europäischen Öffentlichkeit wurde vor einigen Monaten suggeriert, dass es mit den darniederliegenden Ländern wie Griechenland und Portugal wieder aufwärts gehe, da sie Anleihen auf dem Kapitalmarkt platzieren konnten, die reißenden Absatz fanden. Dies war jedoch nicht verwunderlich, da die Anleger wissen, dass im Falle der Nichteinlösung oder einer Pleite dieser Länder der Steuerzahler in Form der Europäischen Zentralbank (EZB) dafür in Haftung genommen werden wird. Tatsächlich hat sich die Bonität beider Länder nicht verbessert, im Gegenteil, die Lage ist dramatischer geworden, da ihre Verschuldung weiter steigt. Der Autor weist zu Recht auf diese Täuschung der Öffentlichkeit hin, weil die Europäische Zentralbank über diese „Pleitiers“ die schützende Hand halte. Wie aus der Wirtschaftspresse (FAZ, Wirtschaftswoche) zu erfahren ist, will die EZB bis zu einer Billion neue Euros drucken, um damit wertlose Anleihen der Pleitestaaten aufzukaufen, die damit ihre Haushalte weiter finanzieren könnten. Über das Finanzchaos und das Scheitern des Euro hört man im „EU-Wahlkampf“ kein Wort.

Ein EU-Parlamentarier scheint es Henryk M. Broder besonders angetan zu haben: Martin Schulz. Seine Umtriebigkeit und seine politisch-skurrilen Aktionen finden sich in beiden Elaboraten des „Europaskeptikers“. In Anlehnung an Hanns Dieter Hüsch charakterisiert er den Tausendsassa Schulz folgendermaßen: „Das Nichts läuft auf vollen Touren.“ Es gebe kein politisches Thema, für das Schulz sich nicht zuständig fühle. Seit 1994 sitzt Schulz schon im EU-Parlament, und man höre und staune: Schulz habe sich doch tatsächlich mit EZB-Präsident Mario Draghi über die ersten Schritte zu einer Bankenunion verständigt. Trotz dieser „Leistung“ meint der Autor, dass eine „EU à la Martin Schulz“ zum „Davonlaufen“ wäre. 

Die Fortsetzung der kritischen Bestandaufnahme, die Broder zusammengestellt hat, ist mehr als ernüchternd. In der EU feiern gescheiterte Systeme wie der „Comecon“ immer öfter fröhliche Urstände. Auch die Arroganz der Macht, die Saturiertheit der Funktionäre und die Verachtung für das Volk wie weiland im alten Rom lassen in Brüssel grüßen. Als Beleg zitiert der Autor Eindrücke, die der Journalist Jan Fleischhauer bei einem Besuch in Brüssel gesammelt und auf „Spiegel online“ publiziert hat. „Brüssel ist das neue Rom, minus Sonne, Sklaven und Kolosseum. Alles andere ist so, wie man es aus dem Film kennt: das satte Machtgefühl einer Elite, die mit einem Fingerzeig über das Schicksal von Millionen von Menschen entscheidet; die lächelnde Herablassung für die Provinzen, aus denen das Geld kommt, das man dann im Zentrum des Imperiums in Ströme von Gold verwandelt.“

Eine Geschichte darf in Broders Skrurrilitäten-Kabinett nicht fehlen, und zwar die des „Rabbiner-Darstellers“ Moishe Arye Friedman. Der „Rabbiner“ wurde vom ehemaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad zu einer Holocaustleugner-Konferenz in Teheran eingeladen. Dies führte zu einem erheblichen Wirbel in Wien und veranlasste Friedman samt seiner „schirchen Mischpoke“ im Diesseits abzutauchen, bis er nach Jahren in Brüssel, „der europäischen Metropole des institutionalisierten Wahnsinns“ auf einer vom EU-Parlament gesponserten Veranstaltung wieder auftauchte. Kein geringerer als Martin Schulz „betonte bei dieser Gelegenheit, wie wichtig der ‚multikulturelle Dialog‘ sei, der die Grundlage der EU bilde.“ 

Es ist bedauerlich, dass Henryk M. Broder nicht als Spitzenkandidat für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei den Europawahlen ins Rennen geht. Mit seinem Sachverstand wäre er die Bereicherung für Brüssel und könnte Nigel Farage die Show stehlen oder sogar seinen „EU-Liebling“ als Parlamentspräsidenten beerben. Das üppige Salär plus das steuerfreie „Tagegeld“ würde bestimmt seiner Metamorphose vom „Europaskeptiker“ zum „EU-Europäer“ förderlich sein. Mit seinen beiden EU-kritischen Büchern befördert Broder weiter die Kritik am alten EU-Europa. Aber den Niedergang des EU-Europa werden nicht Broders Publikationen herbeiführen, sondern dieser wird von der EU-Nomenklatura höchst selbst bewerkstelligt. Wie sagte doch einst Erich Honecker: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ Kurz darauf war die DDR perdu. Ob dieser Satz in Analogie zur EU auch seine Berechtigung haben könnte, wird die Zukunft zeigen.

Dienstag, 20. Mai 2014

Europawahl 2014: Für ein Europa des Geldes und nicht der Menschen

Ein Europa des Geldes und der Konzerne, aber nicht der Menschen.
Wer denkt, bei den Wahlen zum Europaparlament am 25. Mai 2014 ginge es um einen demokratischen Akt der Bürger oder gar um das Schicksal derselben, sollte sich schleunigst von dieser Illusion verabschieden. Bei diesen Wahlen geht es um ein Europa des Geldes, der Banken und der Konzerne, aber nicht um ein Europa der Menschen.

Ein gutes Beispiel für diese These ist der amtierende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der zwar mit dem Slogan „Ein Europa der Menschen. Nicht des Geldes“ wirbt, ganz nebenbei aber ein "Tagegeld" von 110 000 Euro pro Jahr zu seinem üppigen Gehalt von 200 000 Euro einstreicht. Wie das ARD-Magazin „Report“ aus Mainz am 29. April herausfand, erhielt Schulz ein "Tagegeld" von 304 Euro an 365 Tagen im Jahr, egal wo er sich gerade tummelt. 

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind in jeder Hinsicht ein Etikettenschwindel. Sie sind nicht demokratisch, weil jedes Land nach seinen eigenen Wahlgesetzen abstimmt. In seinem letzten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Drei-Prozent-Hürde gekippt, sondern auch festgestellt, dass es sich beim Europaparlament um kein Parlament im klassischen Sinne handelt, weil ihm die demokratische Legitimation fehle. Das „Rennen“ zwischen den „Spitzenkandidaten“ ist weder ein Rennen noch ist es offen, weil nicht im EU-Parlament, sondern andernorts die Entscheidungen fallen wie zum Beispiel im Kanzleramt oder im Élysée-Palast. Die Wählerinnen und Wähler jedenfalls haben in Sachen „Kommissionspräsident“ nichts zu entscheiden. 

Reinhard Pauling, Professor für Öffentliches Recht und Rechtspolitik in Tiflis und an der Universität Würzburg, bezeichnet daher das EU-Wahlrecht als einen „Treppenwitz“. „One Man, One Vote“ komme nicht zum Zuge, weil das Wahlrecht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Das EU-Parlament sei nur eine Versammlung von Repräsentanten verschiedener Völker, die durch einen Vertrag miteinander verbunden seien. 

Auch die so genannte erste Direktwahl von Spitzenkandidaten ist bloße Augenwischerei, weil auf den Stimmzetteln die Namen der „Spitzenkandidaten“ nicht auftauchen, sondern nur Parteien gewählt werden. Darüber hinaus wird der zukünftige Kommissionspräsident von den Staats- und Regierungschefs ausgesucht und dem EU-Parlament vorgeschlagen, das zustimmen oder ablehnen kann. Es ist daher nicht ausgemacht, dass einer der beiden „Spitzenkandidaten“ auch Kommissionspräsident wird. Die Posten-Kungelei beginnt am Tag nach der Europawahl. 

Dass Dilemma der EU besteht bis heute in ihrer nicht vorhandenen europäischen Identität. Die Identität der Völker Europas speist sich aus ihrer jeweiligen Geschichte, die in der Form von Nationalstaaten ihre Ausdrucksform gefunden hat. Wer diese abschaffen will, zerstört auch noch den letzten Rest von Identität, die nur in der Vielheit liegen kann. Gerne bringt man den Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Aber „E pluribus unum“ hat nichts mit der Vielfalt der europäischen Nationalstaaten zu tun. Die einzige Quelle „europäischer Identität“ stellt der 100 000 Seiten umfassende „Acquis Communautaire“ dar. Das Problem besteht jedoch darin, dass dieses bürokratische Monster nur die Identitätskrisen der Berufseuropäer lösen kann. 

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat das Unbehagen der Bürger am europäischen Absolutismus erheblich zugenommen. Die Ablehnung der EU samt ihrer Nomenklatura ist mit Händen zu greifen und wird sich bei den Wahlen am 25. Mai in massivem Protest äußern. Das EU-Parlament könnte sich zu einem politischen Tollhaus entwickeln, wenn die Umfragen nicht trügen. Ob dann die EU noch zu retten ist, wird sich zeigen. Europa jedenfalls ist es wert, gegen seine Kritiker verteidigt zu werden.

Dienstag, 13. Mai 2014

Mainstreaming Torture

„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“, so steht es in Artikel 5 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Anlässlich des 30. Jahrestages der Verabschiedung der Antifolterkonvention durch die Vereinten Nationen hat Amnesty International eine Bilanz vorgelegt, die sehr ernüchternd ist. Laut AI ist „Folter nicht nur weiterhin existent, sie ist sogar auf dem Vormarsch“.

In den vergangenen Jahren hat AI über Folter und andere Formen der Misshandlung in 141 berichtet. In einigen Ländern wurde Folter routinemäßig und systematisch angewandt, in anderen waren es Einzel- oder Ausnahmefälle. Um der schleichenden Ausbreitung der Folter Einhalt zu gebieten, startet AI eine weltweite „Stopp-Folter-Kampagne“. Folter stelle nicht nur eine grobe Menschenrechtsverletzung, sondern eine Straftat dar. 

Die im Zeitraum von 2009 bis 2014 bekanntgewordenen Fälle von Folter und Misshandlungen stellten nur die Spitze des Eisberges dar, tatsächlich sei das Ausmaß jedoch viel größer. Jeder könne nach AI Opfer von Folter werden. „Viele Opfer von Folter gehören benachteiligten Gruppen an: Frauen, Kinder, Angehörige ethnischer Minderheiten, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle. Besonders häufig sind auch Menschen betroffen, die in Armut leben.“ In vielen Ländern würden Frauen Opfer von Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen durch Staatsbedienstete.

Laut AI-Bericht gibt es Folter auf allen Kontinenten. Der Bruch des Folter-Tabus durch die Vereinigten Staaten von Amerika im Irak und Afghanistan habe wie ein Dammbruch gewirkt. Nicht nur die perversen Folterexzesse im Gefängnis von Abu Ghraib, sondern auch die Einrichtung von Geheimgefängnissen durch die CIA - u. a. auch in einigen europäischen Ländern wie Polen, Litauen und Rumänien - haben die USA völlig diskreditiert. Laut Recherchen der „Washington Post“ haben die USA für diese Foltergefängnisse zirka 15 Mio. US-Dollar gezahlt. In Polen soll Khalid Scheich Mohammed, einer der angeblichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, 183 Mal durch „Waterboarding“ gefoltert worden sein. Durch die exzessive Anwendung von Folter haben sich die USA selber von ihrem moralischen Sockel gestoßen.

Dass diese selbstgerechte Position ohne Fundament war, zeigt das soeben erschienene Buch von Rebecca Gordon „Mainstreaming Torture: Ethical Approaches in the Post-9/11 United States“, das zeigt, dass es unter jeder US-Regierung Folter gegeben hat. Eine zentrale These ihres Buches lautet, dass es sich bei Folter um keinen isolierten Einzelfall handele, sondern die Folter ständige Praxis, quasi eine Institution sei, die enorme Planungen voraussetze.

Seit der Eroberung durch die weißen Siedler wurden die Ureinwohner gefoltert und abgeschlachtet. Sklaven wurden misshandelt. Im Vietnam-Krieg fanden massive Folterungen statt. Folter ist ständige Praxis in US-Gefängnissen, jüngstes Beispiel ist der Informant (Whistleblower) Chelsea „Bradley“ Manning, der über Monate in Isolationshaft in einem Militärgefängnis gesessen hat. Kein US-Präsident verfolgt die „Informanten“ so gnadenlos wie Obama, obwohl er sie noch ermuntert hatte, als er noch Präsidentschaftskandidat war. 

Rebecca Gordon unterrichtet Philosophie und Ethik an der Universität von San Franzisco. Das Thema Folter gehört nicht nur in eine philosophische Fakultät, sondern in die Mitte der Gesellschaft. Die Zivilgesellschaft ist aufgefordert, „Mainstreaming Torture“ global bekanntzumachen und den Herrschenden den Spiegel vorzuhalten, damit die neue „Stopp-Folter-Kampagne“ von Amnesty International Früchte trägt. Folter hat noch nie zur Wahrheitsfindung beigetragen, sondern immer nur neue Feinde der Freiheit hervorgebracht.

Montag, 12. Mai 2014

US Mercenaries Fight in Eastern Ukraine?

Was seitens des Westens in der Ukraine zu beobachten ist, erscheint wie eine Neuauflage der Ereignisse in Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien. Die Website „antiwar.com“, von welcher der Ausschnitt des Schaubildes stammt, bringt durch die Überschrift die US-Haltung auf den Punkt.


 „Bild am Sonntag“ meldete, dass zirka 400 US-Söldner im Osten der Ukraine zusammen mit ukrainischen Sicherheitskräften den zivilen Aufstand der russischen Bevölkerung gegen das faschistische Regime in Kiew niederschlagen sollen. Die Söldner gehören zur privaten Sicherheitsfirma „Academi“, der Nachfolgeorganisation der berühmt-berüchtigten Söldnertruppe von „Blackwater“, die im Irak Massaker unter der Zivilbevölkerung angerichtet hat. Wer diese Berufskiller in der Ukraine angeheuert haben könnte, ist noch unklar. Die US-Regierung hat zwar pflichtgemäß dementiert, Zweifel sind jedoch angebracht.

Bereits am 29. April habe der Bundesnachrichtendienst (BND) Bundeskanzlerin Angela Merkel über diesen Einsatz informiert. Wie andere Medien berichten, versuchen die Faschisten in Kiew mit Hilfe dieser Söldner, den zivilen Protest niederzuschlagen. Verantwortlich soll „Graystone Limited“ sein, die Teil von „Academi“ sein soll. Diese Sicherheitsfirma pflegt enge Beziehungen mit der CIA und dem Pentagon. Die Söldner von „Academi“ waren zuletzt für die Ausbildung der Sicherheitskräfte im Irak zuständig und haben den Kampf dieser Truppen gegen Aufständische unterstützt.

Sollte sich bewahrheiten, dass US-Söldner eingesetzt werden, würde dies über kurz oder lang auf einen Stellvertreterkrieg zwischen dem US-Imperium und Russland hinauslaufen: Syrien lässt grüßen. Da die Bundesregierung sich ahnungslos gibt, ist es die Aufgabe der Opposition von Grünen und Linkspartei, Aufklärung von der Bundesregierung zu verlangen. Von deutscher Seite sollte jede Unterstützung für das Putschisten-Regime in Kiew eingestellt werden.

What Does It Mean to Be a Friend of Israel?

The video shows the brutality of the Israeli military and the police against little children, defenseless Palestinians or international protesters. Israel's self-definition of its armed forces as the "most moral army in the world" (Ehud Barak) appears as sheer cynicism. The message of the video is simple: Don’t ever vote for a “Friend of Israel” in the upcoming European Parliamentary elections.

Sonntag, 11. Mai 2014

Should Pope Francis skip Israel?

Kann die israelische Regierung die Sicherheit von Papst Franziskus vor „Hebrew neo-Nazis“ (Amos Oz) garantieren? Der Besuch findet vom 24. bis 26. Mai 2014 statt. Der Papst wird Jordanien, das besetzte Palästina und Israel besuchen. Im Vorfeld des Papst-Besuches ist es immer wieder zu anti-christlichen Hassparolen und Schmierereien an christlichen Einrichtungen wie Kirchen und Klöstern gekommen. Sogar Todesdrohungen wurden an das Päpstliche Zentrum Notre Dame in Jerusalem geschmiert: „Death to Arabs and Christians and to everyone who hates Israel.“ Todesdrohungen gab es auch in Galiläa. Selbst israelische Sicherheitsbehörden befürchten Attentatsversuche rechtsextremer Siedler.

Seit Beginn des Jahres wurden bereits 20 solcher Hassattacken gezählt. Am 9. Mai konnte man Folgendes an den Wänden der Rumänisch-Orthodoxen Kirche lesen: „König David für die Juden“ und „Jesus ist Müll“. Andere Parolen lauteten: „Tod den Arabern“, „Amerika ist Nazi-Deutschland“, „Jesus Affe, Maria Kuh“. Ebenso fanden sich Hakenkreuz-Schmierereien an Jerusalemer Häuserwänden. Israel hat nicht nur ein Rechtsextremismus-Problem, sondern ein neo-nazistisches. 

Kein geringerer als der Schriftsteller Amos Oz machte laut „ynet“ vom 10. Mai darauf aufmerksam. Die verniedlichenden Bezeichnungen wie „price tag“ oder „hill top youths“ seinen ein politisch-korrekter Euphemismus. Diese Bezeichnungen seien „sweet names for a monster that needs to be called what it is: Hebrew neo-Nazi groups” (…) Our neo-Nazi groups enjoy the support of numerous nationalist or even racist legislators, as well as rabbis who give them what is in my view pseudo-religious justification”. Der lateinische Patriarch von Jerusalem forderte die israelische Regierung auf, die Christen in Israel zu schützen.

Dass Israel ein gravierendes Extremismus- und Rassismus-Problem hat, ist seit Jahrzehnten bekannt und wird immer wieder selbst von israelischen Autoren betont, aber in den westlichen Medien unter den Teppich gekehrt. Diese Phänomene finden sich insbesondere unter den nationalreligiösen Siedlern in den besetzten Gebieten. Der ehemalige israelische Professor für organische Chemie an der Hebräischen Universität von Jerusalem, Israel Shahak, hat die Wurzeln dieses Rassismus in der jüdischen Religion verortet, wie er in seinem bahnbrechenden Buch „Jewish History, Jewish Religion“ dargelegt hat. 

Obgleich es sich beim Besuch von Papst Franziskus um einen reinen Pastoralbesuch in Erinnerung an den ersten Besuch von Papst Paul VI. vor 50 Jahren handelt, sollte es der römische Pontifex nicht versäumen, in seinen Gesprächen mit Israels führenden Politikern darauf hinzuweisen, dass das israelische Besatzungsregime die Menschenrechte der Palästinenser zu achten hat und ihnen das Recht auf Selbstbestimmung zugestehen muss. In einer seiner Reden vor israelischen Politikern sollte er in Anlehnung an den berühmten Satz von US-Präsident Ronald Reagan erklären: „Mister Netanyahu, tear down this wall.“

Freitag, 9. Mai 2014

Netanyahu der „Panikmacher“

Netanyahu als Karikaturist vor der UNO
Nachdem die Netanyahu-Regierung die so genannten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern - wie erwartet - an die Wand gefahren hat, wendet sich der israelische Regierungschef flugs seinem zweiten Steckenpferd zu: dem iranischen Nuklearprogramm. In einer quasi Endlosschleife betreibt er die Dämonisierung Irans mit historischen Vergleichen, über die der politische Beobachter nur den Kopf schütteln kann. Die Parallele zwischen Iran und Nazi-Deutschland sowie die Situation am Vorabend des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges sind politisch absurd. Aus Angst habe der Westen Hitler nicht aufgehalten, was im Falle Iran nicht noch einmal geschehen dürfe. Mit diesem Lamento kann Netanyahu niemanden mehr beeindrucken. Nicht nur US-Präsident Barack Obama ist von Netanyahus Messianismus genervt.

Seit 20 Jahren geht Netanyahu mit der iranischen Nukleargefahr politisch hausieren. Die Abstände für den Bau der iranischen Bombe wurden dabei immer kürzer. Nach seiner jüngsten Voraussage seien es noch zwei Monate! Das im November 2013 abgeschlossene Zwischenabkommen zwischen Iran und den fünf Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschland hat er als einen „historischen Fehler“ bezeichnet. Seine Opposition zu dieser Vereinbarung hat selbst Netanyahus Verbündete in den USA irritiert, weil er durch seine Kritik Israel engsten Verbündeten, die USA, vor den Kopf gestoßen hat. 

Als Netanyahu am 27. September 2012 seine kabarettreife Show vor der UN-Vollversammlung zum Besten gegeben hat, war Iran von der Fertigstellung einer Bombe noch sechs bis sieben Monate entfernt. Ein Jahr später an gleicher Stelle musste der israelische Ministerpräsident zugeben, dass Iran die „rote Linie“ noch nicht erreicht, geschweige denn überschritten habe. 

Im Jahr 2012 haben Netanyahu und der damalige Verteidigungsminister Ehud Barak einen Hype um das iranische Nuklearprogramm veranstaltet, so dass sich Mitglieder des Sicherheitsestablishments wie Meir Dagen, Yuval Diskin, Benny Gantz und andere veranlasst sahen, beiden öffentlich zu widersprechen. Auch jetzt ist es wieder ein prominentes Mitglied aus dem Sicherheitsbereich, Ex-General und ehemaliger Leiter der israelischen Atomenergiebehörde, Uzi Eilam, der Netanyahus Alarmismus in der israelischen Tageszeitung „Ynet“ auf den Boden der Realität zurückholten musste. 

“The Iranian nuclear program will only be operational in another 10 years." Er sei sich nicht sicher, ob Iran überhaupt nach der Bombe strebe. „Benjamin Netanyahu is employing needless fearmongering.“ Mit dieser öffentlichen Panikmache und Einschüchterung der Bevölkerung verfolge Netanyahu „seine eigenen politischen Ziele“. "Netanyahu and other politicians have struck terrible, unnecessary fear into the hearts of the Israeli public, and thankfully the flames fanned over the issue seemed to have died down for now."

Nicht die imaginären iranischen Atomwaffen sind eine Bedrohung für den Weltfrieden, sondern die israelischen Atomwaffen müssen der Kontrolle der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) in Wien unterstellt werden.

Mittwoch, 7. Mai 2014

EU am Ende?

Finden am 25. Mai 2014 die letzten Wahlen zum EU-Parlament statt? Glaubt man dem Chor der Kritiker eines EU-Europa so sind die „letzten Tage Europas“ angebrochen, vielleicht steht die EU sogar kurz vor ihrem Exitus. Die Liste der EU-Kritiker ist lang und prominent, und ihre Argumente gegen die „EUSSR“ wiegen vom demokratietheoretischen Standpunkt schwer. 

In einem Interview mit der „Baseler Zeitung“ äußerte der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Claus heftige Kritik am „demokratischen Defizit“ der EU. Dieses sei jedoch ein Euphemismus, weil es in der EU einen „Mangel an Demokratie“ gebe. Reformen am EU-System seien nicht mehr ausreichend, ein „Paradigmenwechsel“ müsse vollzogen werden. Auch in der Sowjetunion wurde permanent über Reformen geredet. Die EU-Wahlen werden nichts bewirken. Ein Wandel könne nur durch eine „friedliche Revolution“ herbeigeführt werden. Die Personenfreizügigkeit untergrabe die Regierungsfähigkeit der Nationalstaaten und stärkt damit den Superstaat EU. Die Opfer dieser Politik seien „Demokratie und Freiheit“. 

Die Wahlen zum Europaparlament werden am europäischen Missstand nichts Wesentliches ändern. Sie können nicht mit Wahlen zu einem nationalen Parlament verglichen werden; es sind Wahlen sui generis. Es gibt nicht nur kein europäisches Staatsvolk, sondern es gelten die nationalen Wahlgesetze. Jedes EU-Land kann nicht gemäß seiner Bevölkerungszahl Abgeordnete entsenden, weil es sonst eine deutsche Dominanz gäbe, und dies darf nicht sein. Würde nach einem einheitlichen Wahlmodus gewählt, stellte Luxemburg zum Beispiel gar keinen Abgeordneten, die anderen kleineren Länder weniger als sie heute entsenden. Völlig zu Recht hat deshalb das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde gekippt, weil es sich beim Europa-Parlament um kein Parlament im klassischen Sinne handelt. 

Die EU wird von Organen verwaltet, die über keinerlei demokratische Legitimation verfügen. Ihre Führungsspitze und Kommissare werden von den Regierungschefs in Hinterzimmern ausgekungelt. Von Transparenz oder gar von Demokratie kann keine Rede sein. Die einst nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gegründete Europäische Zentralbank (EZB) hat sich Mechanismen gegeben und sich zu einer Institution entwickelt, die allmächtig und unkontrollierbar geworden ist. Der ursprüngliche Auftrag - die Sicherung der Geldwertstabilität – ist perdu. Ihre Hauptaufgabe ist die Rettung von Pleitestaaten durch Ankauf wertloser Papiere, die Subventionierung bankrotter Banken auf Kosten der Steuerzahler sowie das Aufblähen der  Geldmenge. 

So plädiert zum Beispiel der Althistoriker Egon Flaig in seinem Essay-Band „Gegen den Strom“ für ein säkulares und aufgeklärtes Europa. Er wendet sich gegen die Herrschaft einer „Priesterkaste“ der Eurokraten. Den Plan zu einer europäischen Einigung nennt er „einen Anschlag auf die Volkssouveränität“. Ein künftiges „europäisches Staatsvolk“ werde von der heute herrschenden politischen Klasse um seinen „selbstständigen Gründungsakt“ betrogen. Diese Klasse macht es sich auch zu einfach, indem sie selbst die Forderung nach Referenden bei zentralen Entscheidungen als „Populismus“ verteufelt. Der Irrweg Europas begann mit dem Vertrag von Maastricht, weil seither die demokratischen Verfassungen der Mitgliedstaaten peu à peu ausgehöhlt würden. 

Mit einem PR-Gag versucht die EU, Europa ein Gesicht zu geben, indem man „Spitzenkandidaten“ aufgestellt hat. Die Konservativen präsentieren Jean-Claude Juncker, die Sozialisten Martin Schulz. Eine neokonservative Tagezeitung titelte, dass eine EU à la Martin Schulz zum „Davonlaufen“ sei. Warum sollten die europäischen Staats- und Regierungschefs diese wichtige Personalie, und zwar die Entscheidung über das Amt des Kommissionspräsidenten, einem unbedeutenden Parlament überlassen? 

Die Linke in Europa müsste gegen die undemokratischen Zustände in der EU Sturm laufen und diese zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Auch das Nachdenken über einen Rückbau der EU darf kein Tabu sein. Gesetzgebungskompetenzen müssen den nationalen Parlamenten alleine vorbehalten bleiben, da nur sie demokratisch legitimiert sind. Die EZB muss stärker Weisungsgebunden agieren, und das Vetorecht muss im Zentralbankrat wieder eingeführt werden. Sollte man sich u. a. dieser Themen nicht annehmen, werden sie von anderen Parteien aufgegriffen, und zwar zum Schaden der Demokratie und der Freiheit.

Eine Karikatur des Islam: "Der islamische Faschismus"

Der Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad hat mit diesem Buch eine antiislamische Kampfschrift vorgelegt, die perfekt den antimuslimischen Zeitgeist der deutschen Mehrheitsgesellschaft trifft. Darin werden äußerst provokante antiislamische Thesen vertreten. Von einer Analyse zu sprechen, wäre verwegen. So habe „faschistoides Gedankengut nicht erst mit dem Aufstieg der Muslimbrüder Eingang in den Islam gefunden“, sondern dieses liege bereits „in der Urgeschichte des Islam begründet“. Für den Autor begann bereits alles mit dem Propheten. Dieser war aber alles andere als ein Monster, wie der Autor glauben machen will. Mohammad hatte viele Freunde unter Christen und Juden. Der Islam habe die „religiöse Vielfalt auf der arabischen Halbinsel beendet“, verlange von seinen Anhängern absoluten Gehorsam, dulde keine andere Meinung und strebe nach Weltherrschaft, so der Autor weiter. Wer als gelernter Muslim ein solches Zerrbild über seine frühere Religion der westlichen Öffentlichkeit vermittelt, dem fällt es auch leicht, von „Islamo-Faschismus“ zu sprechen. 

Der Autor übernimmt diesen Kampfbegriff, den neokonservative und islamophobe Autoren im Dunstkreis der Neokonservativen in den USA kreiert haben, um nicht nur eine mächtige politisch-religiöse Strömung zu diskreditieren, sondern den Islam in Gänze. Der Islam ist nicht aggressiver als andere Religionen auch. In jeder Religion gibt es Extremisten, sei dies im Christentum, Judentum (zionisitische Siedler), Hinduismus, die Buddhisten in Myanmar usw. Faschistisch werden Teile des Islam dort, wo sie vom Wahabismus, der extremistischen Staatsreligion Saudi-Arabiens, infiziert ist. Salafisten und Dschihadisten sind die Wiedergänger dieser wahabitischen Ideologie. Die Diktatur der Al-Saud ist ein enger Verbündeter und Freund der USA. Liegen nicht dort die wirklichen Wurzeln des „Islamo-Faschismus“? Der Salafismus im Allgemeinen hat nichts mit Faschismus zu tun; er ist ein Kind der Nahda (Renaissance) – einer Bewegung, welche die Moderne mit dem Islam in Einklang bringen will.

Abdel-Samad leistet mit seinen simplifizierenden Thesen für den deutschsprachigen Raum ganze Arbeit. Er popularisiert eine Karikatur des Islam und des Islamismus und verstärkt damit die Ressentiments gegen diese Religion im deutschsprachigen Raum. Der politische Islam, auf den es Abdel-Samad abgesehen hat, ist aber eine relativ junge Bewegung. Entstanden ist sie als Reaktion auf den Kolonialismus und die damit einhergehende Verelendung großer Teile der Bevölkerungen in der islamischen Welt. Selbst der politische Islam ist keine monolithische Bewegung. Er umfasst Al-Kaida in all ihren Schattierung, aber auch das Erdogan-Regime in der Türkei. Wer nach der Gleichung – Islam – politischer Islam = Faschismus – operiert, landet zwangsläufig beim „Islamo-Faschismus“. 

Diese abgestandene These vom „Islamo-Faschismus“ erfasst aber nicht das Wesentliche der politisch-ideologischen Strömungen in der islamischen Welt, sondern trägt nur zu einer Verharmlosung und Relativierung der Massenverbrechen im Europa des 20. Jahrhunderts durch den Faschismus bei. Was bringt es an Erkenntnisgewinn, wenn er die Ähnlichkeiten aufzählt, die es vielleicht in Teilen tatsächlich gibt? War nicht Winston Churchill auch ein Bewunderer Hitlers und Mussolinis, bis er deren teuflisches Wesen und Taten durchschaut hat? Waren nicht die revisionistischen Zionisten vom italienischen Faschismus begeistert?

Das Buch ist seiner Mutter gewidmet, die Hamed den Rat gab, es nicht zu veröffentlichen. Nachdem der Autor seine anti-islamischen Thesen Anfang Juni 2013 in Kairo vorgetragen hatte, erhielt er Morddrohungen in Form einer Fatwa – ein islamisches Rechtsgutachten. In Ägypten gibt es nur eine Institution, die eine „Fatwa“ aussprechen darf, und zwar das 1895 gegründete „Ägyptische Haus der Fatwa“. Diese Institution wird vom Großmufti von Ägypten geleitet. Sie ist neben der Al-Azhar-Universität die wichtigste islamische Einrichtung. Von ihrer Seite liegt gegen Abdel-Samad keine „Fatwa“ vor. Welcher Obskurant auch immer die angebliche Fatwa gegen den Autor ausgesprochen haben könnte, stellt sie eine Privatmeinung dar und hat keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Abdel-Samad sollte aufhören, mit dieser „Fatwa“ in den Talkshows zu kokettieren. 

Mehr als dubios bleibt auch die Im November 2013 gemeldete „Entführung“ des Autors. So schnell er verschwunden war, so schnell tauchte er jedoch wieder auf. War dies nur ein dilettantischer PR-Gag, um auf sich aufmerksam zu machen? Einem größeren Kreis wurde Abdel-Samad durch eine skurrile „Deutschland-Safari“ bekannt, die er mit Henryk M. Broder und dessen Hündin Wilma auf Kosten des Gebührenzahlers gemacht hat. Auch auf der darauffolgenden „Europa-Safari“ spielte Hamad Broders folgsamen Diener. Zu einer "Gaza-Safari" wollten die beiden dann doch nicht mehr aufbrechen. 

Das Anliegen Abdel-Samads wäre wesentlich glaubwürdiger ausgefallen, hätte er sich nicht von den neokonservativen Scharfmachern instrumentalisieren lassen und die These vom „Islamo-Faschismus“ als lukratives Geschäftsmodell entdeckt. Viele Auswüchse des Islam und Islamismus sind in der Tat kritikwürdig, aber mit der Faschismus-Keule wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Im ersten Kapitel werden unter Bezugnahme auf Umberto Eco einige Eckpunkte des Ur-Faschismus versucht zu konstruieren und sodann eine mehr als gewagte Schlussfolgerungen gezogen, die viel über Abdel-Samads politische Intention und ideologische Stoßrichtung des Buches offenbaren. „Da, wo der islamische Faschismus die Macht übernommen hat, wie im Iran, im Sudan, in Nigeria, Somalia und Gaza sind brutale Diktaturen entstanden, die ihre Macht bis heute nicht wieder abgegeben haben. Da, wo der Islamismus vom ‚Regierungssessel‘ verdrängt wurde, verwandelten sich die Islamisten in Terroristen und überzogen ihre Länder mit Gewalt und Verwüstung wie in Algerien, Afghanistan, Mali und Libyen. Ein Schicksal, das nun auch Ägypten und Syrien droht.“ Warum wird Irak nicht erwähnt? Dort haben die US-Amerikaner einen großen Erfolg zu verbuchen, sie hinterließen 1,5 Millionen tote Iraker. Von dem Unheil, das die Bush-Krieger über dieses Land gebracht haben, gar nicht zu reden.

Mit diesen salopp dahin geschriebenen Zeilen zeigt der Autor, dass er nicht nur undifferenziert denkt, sondern schon gar nicht bereit ist, die wirklichen Verursacher für diesen „Terrorismus“ beim Namen zu nennen. Wer hat zum Beispiel Länder wie Afghanistan, Libyen, Ägypten, Mali oder Syrien mit Gewalt, Verwüstung und Zerstörung überzogen? Waren es nicht die gewaltsamen völkerrechtswidrigen Überfalle des Westens und die Kooperation mit den fundamentalistischsten Despotien wie zum Beispiel Saudi-Arabien oder den protzigen Kataris, die dafür ursächlicher waren? Wer in Iran „islamischen Faschismus“ und „Faschismus als Staatsdoktrin“ diagnostiziert, offenbart seine Ahnungslosigkeit über das Funktionieren des dortigen politischen Systems. 

Da der Islam seit seiner Entstehung faschistoide Neigungen zeigt, scheint folglich jede Erscheinungsform des Islamismus ebenfalls von dieser Ideologie „infiziert“ zu sein. Auf der Grundlage dieser verqueren Sichtweise schreibt Abdel-Samad: „Die Muslimbruderschaft weist seit ihrer Gründung im Jahr 1928 faschistische Züge auf. Wie alle faschistischen Bewegungen handelt sie mit zwei Waren: Wut und Blut.“ Und weil sie den Propheten als ihren Anführer, den Koran als die Verfassung, den Dschihad als Weg und das Sterben für Allah als Ziel sehen, mache sie zu einer „faschistoide(n) Organisation“. Deshalb gelte: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns, (und so) kann man in der Muslimbruderschaft auch die Mutterorganisation des islamistischen Terrorismus sehen. Al-Qaida ist eine ihrer Ausgeburten.“ 

Als gelernter Muslim und studierter Politologe hätte Abdel-Samad eigentlich wissen müssen, dass die Muslimbruderschaften zu Beginn eine konservative Erneuerungsbewegung gewesen sind. Es gibt im Islam eine Vielzahl von Orden, Bruder- und Schwesterschaften, von den verschiedenen Sufis und Kulturclubs über politische Organisationen wie die Assassinen bis hin zu "liberalen Muslimen", die die unterschiedlichsten Ziele verfolgen. Dass irgendeine dieser Organisationen dem Faschismus nacheifert, ist nicht bekannt. Wären die Muslimbrüder, die in Ägypten durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen sind, tatsächlich „Faschisten“ gewesen, wären sie selbst mit dem Militär anders umgegangen. In den ersten Jahrzehnten hat die Muslimbruderschaft in der Art von Volkshochschule-Kursen unverschleierten Frauen Unterricht erteilt!

Jedem promovierten Politologen ist bekannt, dass der Islamismus keine völkische und rassistische Ideologie ist, folglich ethnisch-nationale Kategorien irrelevant sind. Darüber hinaus ist der Islam egalitär und universell und gerade nicht nationalistisch wie der Faschismus. Stammt nicht der Ausspruch „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ von George W. Bush? Haben nicht die CIA, der pakistanische und saudi-arabische Geheimdienst Al-Qaida erst geschaffen? War nicht deren Terror ursächlicher als der islamistische? Hat nicht Bush die Welt ebenfalls in Freund und Feind eingeteilt? Als die Mujaheddin gegen die sowjetischen Besatzer kämpften, wurden sie von den USA und dem Westen als „Freiheitskämpfer“ verhätschelt, als sie sich gegen die Besatzer aus den USA und dem Westen wandten, mutierten sie zu „Terroristen“. Der Autor lag noch in den Windeln, als US-Präsident Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński sich mit der Kalaschnikow bei den Mujaheddin in Afghanistan in Pose warf. 

Wer Vergleiche mit dem Nationalsozialismus anstellt, liegt meistens knapp daneben. So wagt Hamad-Samed doch allen Ernstes Folgendes gleichzusetzen: „Viele Leute sagen, der Faschismus ist für den Tod von sechs Millionen Juden verantwortlich. Erstens: Die Messlatte für den Faschismus darf nicht bei sechs Millionen Toten liegen. Und wenn man die Opfer der Islamisten zusammenzählt kommt man ebenfalls auf Millionen: Die Opfer des iranischen Regimes, hingerichtet, zu Tode gefoltert, Hunderttausende. Die Opfer des algerischen Bürgerkriegs, der von Islamisten entfesselt wurde, die Opfer des afghanischen Bürgerkriegs, der von Islamisten entfesselt wurde, die Opfer des irakischen Bürgerkriegs, die Opfer des Krieges in Syrien, Sudan, Somalia, Jemen. Dazu die Opfer von über 40.000 Terroranschlägen, die in den letzten 20 Jahren verübt wurden mit hundertausenden von Toten, die meisten von ihnen übrigens Muslime - da kommt man fast auf sechs Millionen!" Das Fazit des Politologen: Der Islamismus habe vielleicht nicht die gleiche Vernichtungsmaschinerie wie der Nationalsozialismus, aber die gleiche Geisteshaltung, und er verfolge die gleichen Ziele. Wie schon bei früheren Vergleichen hat auch hier der Autor die Millionen Toten vergessen, welche die USA und ihre Verbündeten bei ihren jüngsten Eroberungskriegen hinterlassen haben. 

Für den Autor verfolgt der Islamismus immer die gleichen Ziele: Sobald die Islamisten an der Macht seien, wollten sie die islamistische Gesellschaftsordnung durchsetzen, die Scharia einführen und letztendlich die Welt erobern. Der Islam sei nicht reformierbar, weil er alles als Wort Gottes ansehe, was im Koran stehe. Den Islamismus hält der Autor – im Gegensatz zu anderen Experten - für schwach, darin liege aber auch seine Gefährlichkeit. Die Islamisten glaubten nicht an die Reformierbarkeit ihrer Gesellschaften durch wirtschaftliche und politische Pläne, weil die Souveränität bei Gott und nicht beim Volk liege.

Natürlich darf ein Kapitel über „arabischen Antisemitismus“ nicht fehlen. „Nirgendwo ist der Antisemitismus so stark ausgeprägt wie in der arabischen Welt“ schreibt Abdel-Samad. Als zentrale Figur wird immer wieder der Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, als Kronzeuge genannt. Es ist nicht zu leugnen, dass der Mufti ein Judenhasser war und von Berlin aus die Muslime in Palästina gegen die dort lebenden Juden aufhetzte. Zu welchen grotesken Schlüssen es führen kann, wenn man mit ideologischer Voreingenommenheit an den Untersuchungsgegenstand herangeht, haben Barry Rubin und Wolfgang G. Schwanitz in ihrem soeben erschienen Buch „Nazis, Islamists, and the Making of the Modern Middle East“ demonstriert.

Der Vergleich zwischen Faschismus und Islamismus wirkt nach Lektüre dieses Buches deplatziert und wenig überzeugend. Meinte der Politologe vielleicht „Totalitarismus“ und nicht Faschismus? Mit diesem Buch wird das lodernde Feuer der Islamophobie weiter angefacht. Neben den Kriegen des Westens gegen den Islam, werden sich nicht nur die Minderheit der faschistoiden Islamisten von diesem Buch vor den Kopf gestoßen fühlen, sondern auch die Mehrheit der gemäßigten Muslime. Ein Bärendienst für den Islam und eine Irreführung der deutschen Öffentlichkeit.

Zuerst erschienen hier.

Montag, 5. Mai 2014

Rupert Neudeck, Radikal leben

„Empört Euch!“ Dieser kurze Essay von Stéphane F. Hessel sorgte 2010 für Furore. Er kritisierte darin politische Fehlentwicklungen und rief zum Widerstand auf. Von einer ähnlichen Radikalität ist die Streitschrift „Radikal leben“ des Journalisten Rupert Neudeck. Die Tugend des Widerstandes müsse im Leben eines aufgeklärten und selbstständigen Bürgers verankert bleiben. In Anlehnung an Albert Camus müsse jeder Mensch diese Entscheidung zum Widerstand alleine treffen, „ohne Rücksicht darauf, ob ich der Einzige bleibe oder nicht“. 

Rupert Neudecks Weg - und man sollte seine Frau Christel Neudeck nicht vergessen – war nonkonformistisch. Dafür stehen das „Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte e. V.“, das nach dem Ende des Vietnamkrieges so genannten Boatpeople auf hoher See das Leben rettete, die Organisation „Grünhelme“ baut Schulen, Solaranlagen und Krankenhäuser im Irak, Afghanistan, Pakistan und auch in Palästina. Neudecks Eintreten für die entrechteten Palästinenser und sein Protest gegen die brutale Besatzungspolitik Israels sowie die militärische Unterstützung Deutschlands für Israel hat ihm harsche Kritik der zionistischen Israellobby eingetragen. 

In einigen seiner kurzen Beiträge setzt er seiner Frau Christel ein „Denkmal“ frei nach dem Motto: Hinter einem erfolgreichen Mann steht eine noch erfolgreichere und stärkere Frau! Sie war das „Komitee“, das beide in ihrer Wohnung gegründet und von dort aus auch geleitet haben. „Die Heldin dieses radikalen Lebens war Christel Neudeck, nicht etwa ich.“ Neben diesem „Familienunternehmen“ zogen die Neudecks noch drei Kinder groß; alleine dies ist ein Full-Time-Job. Die gelebte Radikalität speist sich auch aus ihrer Religiosität. Mit der Wahl von Papst Franziskus scheint die radikale Lebenseinstellung noch einmal einen neuen Schub bekommen zu haben. Radikales Leben sei das, „was der neue Papst uns aufgibt“.

Für Neudeck sind Bürokratien manchmal ein Gräuel. Hätte er sich immer an Vorschriften gehalten, keines seiner Projekte wäre über das Planungsstadium hinausgekommen. Wie er die bürokratischen Hürden auch mit Hilfe von Bürokraten überwunden hat, so ärgern ihn die politisch-korrekten Barrieren, von der die Republik nur so wimmelt. Wohin diese verkorkste Geisteshaltung führt, lässt sich aus einem Antwortbrief eines Bürokraten der Senatsverwaltung in Hamburg auf eine Bitte Neudecks ablesen, der sich nur als „Türöffner“ für die geretteten Vietnamesen zur Verfügung gestellt hatte, damit diese in Hamburg einen Gedenkstein in Erinnerung an ihre Rettung aufstellen könnten. 

Neudecks Brief an Ole von Beust, Hamburgs damaligen Ersten Bürgermeister, vom 8. März 2006 wurde zügig am 26. September (!) beantwortet. Der Antwortbrief eines Senatsdirektors an den deutsch-vietnamesischen Initiator sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er zeigt, wie verkorkst das Bewusstsein eines Teils der bürokratisch-politischen Klasse in Deutschland ist. „In der nächsten Umgebung der Landungsbrücken existieren bereits zwei Gedenktafeln. Diese haben mit ihrem Bezug zu jüdischen Flüchtlingen und Emigranten einen klaren Anknüpfungspunkt zur deutschen Geschichte und reflektieren damit auch deutsche Schuld. Das Anbringen weiterer Tafeln, die sich auf Flüchtlinge in anderen Weltgegenden beziehen, könnte als ein Versuch einer Relativierung der Judenverfolgung in Deutschland und des Holocaust empfunden werden und damit zu ungewollten und nicht unerheblichen Irritationen führen.“ Abschließend wird noch für Verständnis dafür geworben, das die Hansestadt Hamburg dieses Anliegen „nach intensiver Prüfung und eingehender Abwägung leider nicht unterstützten kann“. 

Neudeck weist noch auf weitere gesellschaftliche Defizite und Gefährdungen der Freiheit hin, die sich zum Beispiel aus dem „Verstöpseln“ durch die neuen technischen Gerätschaften ergeben und die den meist jungen Menschen ermöglichen, freiwillig ein Monadendasein zu führen. Er plädiert für mehr Freiheit, die Mut erfordert. Die Freiheit ist Risikobehafteter als die Sicherheit, die etwas für Mutlose ist. „Wenn wir nicht bereit sind, uns zu ändern, werden wir auch die Gesellschaft um uns nicht verändern.“ Rupert und Christel Neudeck zeigen den Lesern/innen, dass ein geglücktes Leben auch gegen erhebliche Widerstände gelingen kann. Jeder muss aber bei sich selber anfangen. Ein ermutigendes Buch.

Radikal leben, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh-München 2014.

Freitag, 2. Mai 2014

Akif Pirincci - Oder Neues aus der Anstalt!

Die "Wiener Tageszeitung" brachte die Quintessenz des Pamphlets „Deutschland von Sinnen“ mit der Überschrift „Amoklauf in der Gummizelle“ auf den Punkt. Nicht das Land ist von Sinnen, sondern der Autor. Der Deutsch-Türke Akif Pirincci lehrt selbst Thilo Sarrazin das Fürchten. Es bleibt das Geheimnis der Deutschen ohne Migrationshintergrund, wie es „Mein KRAMPF“ auf die Bestsellerlisten schaffen konnte.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Syrian Rebels Crucified

Dieses "neue" Syrien darf niemals Realität werden!
Der Krieg gegen die Regierung von Baschar al-Assad nimmt von Seiten der islamistischen Terrorgruppen immer brutalere Formen an. So meldete die britische Zeitung „Daily Mail“ , dass von der Terrorgruppe „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ (ISIL) sieben Mitglieder einer anderen Rebelengruppe getötet worden seien, zwei davon wurden öffentlich gekreuzigt und zur Schau gestellt. Die syrische Beobachtergruppe für Menschrechte berichtet, dass dies nicht die ersten Kreuzigungen gewesen seien. So haben die Terroristen von ISIl am 16. April einen Mann wegen Diebstahls ebenfalls gekreuzigt. Am 7. April wurde der niederländische Jesuitenpater Frans van der Lugt in Homs von Terroristen hingerichtet. Die Idenität der Killer konnte bis heute nicht ermittelt werden. 

Für die Exzesse in Syrien tragen der Westen zusammen mit den funamentalistischen Regiemen in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei letztendlich die Verantwortung, weil sie seit drei Jahren versuchen, Al-Assad zu stürzen und ihn durch handverlesene Marionetten von der so genannten Freien Syrischen Armee zu ersetzen. Dieses Abenteur war ein totaler Fehlschlag. Die „Freie Syrischen Armee“ spielt im Machtkampf in Syrien keine Rolle mehr. Radikale Terrorristen der Al-Nusra-Front und von ISIL haben das Heft des Handelns an sich gerissen und verbreiten Terror, Angst und Schrecken. 

Am Ostersonntag verbreitete der französische Präsident Francois Hollande erneut die Lüge über einen angeblichen Giftgasangriff durch die Truppen von Al-Assad, ohne auch nur den geringsten Beweis dafür präsentiert zu haben, und die Pentagonzeitung aus Süddeutschland meldete diese Unwahrheit, ohne sich die Mühe einer Gegenrecherche zu machen. Schon die beiden ersten Giftgaseinsätze, die vom Westen und Saudi-Arabien Al-Assad zugeschrieben worden waren, wurden von Terroristen unter Mithilfe Saudi-Arabiens und der Türkei durchgeführt. Den USA und ihren westlichen Vasallen-Staaten ist bekannt, dass nicht das Assad-Regime die Angriffe durchgeführt hat, gleichwohl haben sie ihn einhellig dafür verantwortlich gemacht.

Die Jahreskonferenz der Internationalen Vereinigung demokratischer Anwälte (IADL) befasste sich am 16. und 17. April in Brüssel mit Kriegsverbrechen, die von den USA und der von ihr geführten "Koalition der Willigen" gegen den Irak verübt worden sind. Dabei geht es nicht nur um die fast zwei Millionen Toten, sondern auch um den Einsatz von Uranmunition, die zu unzähligen Missbildungen bei Neugeborenen und zur dramatischen Zunahme der Krebsrate geführt hat. Über diese Kriegsverbrechen sollten die deutschen Pentagon-Medien berichten. Aber die sind damit beschäftigt, Desinformationen über die Vorgänge in der Ukraine zu verbreiten. Das Chaos in diesem Land wurde von den USA und durch einen Putsch ins Werk gesetzt. Die US- und deutschen Medien verbreiten dagegen die Mär vom „bösen“ Vladimir Putin. 

Die USA und ihre Nato-Alliierten sollten sich gegen ihre islamistischen Verbündeten in Saudi-Arabien und Katar stellen, die die Terrorgruppen mit Waffen und Gelder unterstützen, und die Regierung von Al-Assad im Kampf gegen den Terror unterstützen, weil ein „Sieg“ dieser Kräfte sich letztendlich auch gegen Israel und das westliche Marionetten-Regime in Jordanien werden wird.