Finden am 25. Mai 2014 die letzten Wahlen zum EU-Parlament statt? Glaubt man dem Chor der Kritiker eines EU-Europa so sind die „letzten Tage Europas“ angebrochen, vielleicht steht die EU sogar kurz vor ihrem Exitus. Die Liste der EU-Kritiker ist lang und prominent, und ihre Argumente gegen die „EUSSR“ wiegen vom demokratietheoretischen Standpunkt schwer.
In einem Interview mit der „Baseler Zeitung“ äußerte der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Claus heftige Kritik am „demokratischen Defizit“ der EU. Dieses sei jedoch ein Euphemismus, weil es in der EU einen „Mangel an Demokratie“ gebe. Reformen am EU-System seien nicht mehr ausreichend, ein „Paradigmenwechsel“ müsse vollzogen werden. Auch in der Sowjetunion wurde permanent über Reformen geredet. Die EU-Wahlen werden nichts bewirken. Ein Wandel könne nur durch eine „friedliche Revolution“ herbeigeführt werden. Die Personenfreizügigkeit untergrabe die Regierungsfähigkeit der Nationalstaaten und stärkt damit den Superstaat EU. Die Opfer dieser Politik seien „Demokratie und Freiheit“.
Die Wahlen zum Europaparlament werden am europäischen Missstand nichts Wesentliches ändern. Sie können nicht mit Wahlen zu einem nationalen Parlament verglichen werden; es sind Wahlen sui generis. Es gibt nicht nur kein europäisches Staatsvolk, sondern es gelten die nationalen Wahlgesetze. Jedes EU-Land kann nicht gemäß seiner Bevölkerungszahl Abgeordnete entsenden, weil es sonst eine deutsche Dominanz gäbe, und dies darf nicht sein. Würde nach einem einheitlichen Wahlmodus gewählt, stellte Luxemburg zum Beispiel gar keinen Abgeordneten, die anderen kleineren Länder weniger als sie heute entsenden. Völlig zu Recht hat deshalb das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde gekippt, weil es sich beim Europa-Parlament um kein Parlament im klassischen Sinne handelt.
Die EU wird von Organen verwaltet, die über keinerlei demokratische Legitimation verfügen. Ihre Führungsspitze und Kommissare werden von den Regierungschefs in Hinterzimmern ausgekungelt. Von Transparenz oder gar von Demokratie kann keine Rede sein. Die einst nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gegründete Europäische Zentralbank (EZB) hat sich Mechanismen gegeben und sich zu einer Institution entwickelt, die allmächtig und unkontrollierbar geworden ist. Der ursprüngliche Auftrag - die Sicherung der Geldwertstabilität – ist perdu. Ihre Hauptaufgabe ist die Rettung von Pleitestaaten durch Ankauf wertloser Papiere, die Subventionierung bankrotter Banken auf Kosten der Steuerzahler sowie das Aufblähen der Geldmenge.
So plädiert zum Beispiel der Althistoriker Egon Flaig in seinem Essay-Band „Gegen den Strom“ für ein säkulares und aufgeklärtes Europa. Er wendet sich gegen die Herrschaft einer „Priesterkaste“ der Eurokraten. Den Plan zu einer europäischen Einigung nennt er „einen Anschlag auf die Volkssouveränität“. Ein künftiges „europäisches Staatsvolk“ werde von der heute herrschenden politischen Klasse um seinen „selbstständigen Gründungsakt“ betrogen. Diese Klasse macht es sich auch zu einfach, indem sie selbst die Forderung nach Referenden bei zentralen Entscheidungen als „Populismus“ verteufelt. Der Irrweg Europas begann mit dem Vertrag von Maastricht, weil seither die demokratischen Verfassungen der Mitgliedstaaten peu à peu ausgehöhlt würden.
Mit einem PR-Gag versucht die EU, Europa ein Gesicht zu geben, indem man „Spitzenkandidaten“ aufgestellt hat. Die Konservativen präsentieren Jean-Claude Juncker, die Sozialisten Martin Schulz. Eine neokonservative Tagezeitung titelte, dass eine EU à la Martin Schulz zum „Davonlaufen“ sei. Warum sollten die europäischen Staats- und Regierungschefs diese wichtige Personalie, und zwar die Entscheidung über das Amt des Kommissionspräsidenten, einem unbedeutenden Parlament überlassen?
Die Linke in Europa müsste gegen die undemokratischen Zustände in der EU Sturm laufen und diese zu einem zentralen Wahlkampfthema machen. Auch das Nachdenken über einen Rückbau der EU darf kein Tabu sein. Gesetzgebungskompetenzen müssen den nationalen Parlamenten alleine vorbehalten bleiben, da nur sie demokratisch legitimiert sind. Die EZB muss stärker Weisungsgebunden agieren, und das Vetorecht muss im Zentralbankrat wieder eingeführt werden. Sollte man sich u. a. dieser Themen nicht annehmen, werden sie von anderen Parteien aufgegriffen, und zwar zum Schaden der Demokratie und der Freiheit.