Rechtspopulistische und euroskeptische Parteien gewinnen in Europa fast überall an Boden. Nach Ansicht von Ernst Hillebrand, Leiter der Internationalen Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), gehe das Gespenst des Rechtspopulismus überall in Europa um.
Rechtspopulismus scheint ein schillernder Begriff zu sein, da es keinen "klar definierten, einheitlichen Rechtspopulismus in Europa gibt". Liegt es vielleicht daran, dass sich die politischen Systeme verändert haben und die europäischen Demokratien von einem Prozess der "Aushöhlung" (Peter Mair) befallen sind?
Das Buch gliedert sich in "Fallstudien", "Politische Bewertungen" und "die Linke und der Rechtspopulismus". Wie fragmentiert der Rechtspopulismus ist, zeigen die Länderstudien. Nicht nur haben sich diese Parteien an sich schon programmatisch verändert, sondern deren Abgeordnete im Europäischen Parlament gehören auch fünf unterschiedlichen Fraktionen an. Von einer stromlinienförmigen Bewegung kann also nicht gesprochen werden. Jede Spielart hat seine eigene nationale Grundierung. So überraschen die starken rechtspopulistischen Bewegungen in Österreich, der Schweiz, Finnland und Dänemark.
Hillebrand hat bereits in seiner Einführung vor der rechtspopulistischen Herausforderung als eines vorübergehenden Phänomens gewarnt. Die wirtschaftliche Malaise in der Eurozone drohe die Legitimität der politischen Systeme zu "beschädigen". Eine Reduzierung auf rein "ökonomische Perspektiven", wie es die Linke tue, sei dagegen ein Teil des Problems. Mit Sprüchen wie "falsches Bewusstsein" sei dem Phänomen nicht beizukommen, da ein Großteil der Wähler aus traditionellen Milieu der linken Mitte stammten. Auch die "Alternative für Deutschland" (AfD) speiste sich zu einem großen Teil aus dem Wähler-Reservoir der Linkspartei. Warum fehlt in diesem Band ein Beitrag über die AfD?
In den "politischen Bewertungen" kommt zum Ausdruck, dass allen rechtspopulistischen Parteien folgende politische Themen gemeinsam sind: Kritik an der Europäischen Union und dem Euro, der Einwanderung und der Islamisierung, dem Multikulturalismus, der politischen Korrektheit, der Geringschätzung des Nationalstaates sowie der Hinwendung zu einem europäischen Bundesstaat. Bei all diesen Themen wird die Entfremdung zwischen den politischen Eliten und der Bevölkerung deutlich. Die "Partei der Nichtwähler" nähert sich in einigen Ländern der 50-Prozent-Marke an.
Abschließend setzt sich Hillebrand mit den politischen Irrtümern der Linken in Sachen Rechtspopulismus auseinander. Dieses Phänomen auf "sozioökonomische Probleme" und auf einen "Rechtsruck" in Europa zurückzuführen, sei eindimensional und zweifelhaft. Die prekäre sozioökonomische, politische und soziokulturelle Lage habe zu "Verunsicherungsgefühlen" geführt, die ein Erstarken des Rechtspopulismus bewirkt habe. Die politische Klasse trage für diese Verunsicherungen politische Verantwortung, weil sie auf das Verlangen der Menschen "nach stabilen und vertrauten Lebensverhältnissen" immer nur mit einen "Negativdiskurs" reagiert habe. Die permanente Delegitimierung der Sorgen der "kleinen Leute" habe zu einer "habituellen Entfremdung" zur Linken und Sozialdemokratie geführt. Um diese Kluft zu überbrücken, bedürfe es einer "Politik der Anerkennung", wodurch die Menschen sich wieder ernst genommen und anerkannt fühlen würden.
"Erst wenn linke Politik wieder deutlich macht, dass ihr Verhältnis gegenüber den Menschen des jeweiligen Landes von Wertschätzung und Respekt getragen ist, wird sie dem Rechtspopulismus dauerhaft das Wasser abgraben können." Hat aber gerade nicht die Politik der Agenda 2010 viel zum Vertrauensverlust und zum sozialen Kahlschlag beigetragen?
Ob die Sozialdemokratie die gravierenden Vertrauensverluste innerhalb der Bevölkerung gegenüber der politischen Klasse beheben kann, scheint mit dem augenblicklichen politischen Personal eher unwahrscheinlich. Ein Politiker vom Schlage Oskar Lafontaines ist weit und breit nicht in Sichtweite; ihn hatte der "Basta"-Kanzler ausgebootet und aus der SPD gedrängt hat.
Mit dem Buch ist ein erster gelungener Versuch gestartet worden, sich dem Phänomen des Rechtspopulismus in Europa zu nähern. Ob kosmetische Korrekturen ausreichen oder nicht doch ein grundsätzlicher Politikwechsel angesagt ist, muss die Zukunft zeigen. Einige Beiträge lassen Verständnis für einen solche in Ansätzen erkennen.
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