Montag, 24. Dezember 2012

Jesus was a Palestinian Jew

Alle Jahre wieder findet das Weihnachtsfest in Palästina unter israelischer Besatzung und Belagerung statt. Bethlehem, die Geburtsstatt Jesu, ist von einer acht Meter hohen Mauer umgeben, die nur noch von zwölf Meter hohen Wachtürmen überragt wird. Ein permanenter Skandal zwar, aber für den christlichen Westen scheinbar kein Problem. Ebenso wenig interessiert die Taufscheinchristen die überaus prekäre Lage ihrer „Brüder und Schwestern in Christo“ in der muslimischen Welt. Hat doch ein „wiedergeborenen Christ“, namens George W. Bush, durch seinen Überfall auf Afghanistan und Irak die Büchse der Pandora geöffnet. Diese grundlos angezettelten Kriege sind u. a. dafür mitverantwortlich, dass die ältesten christlichen Gemeinden vor ihrer völligen Auslöschung stehen. 

Die Christen sind ein integraler Bestanteil der arabischen, folglich auch der muslimischen Welt. Neben ihrer Muttersprache sprechen sie alle Arabisch. Die Christen Palästinas leben wie die muslimischen Gläubigen in einer Konfliktsituation, dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Sie sind im Widerstand gegen die israelische Besatzung und Kolonisierung ihres Landes vereint. Dieser Konflikt ist kein religiöser sondern ein politisch-wirtschaftlicher zwischen Kolonialisten und Kolonisierten. Religiöse Gefühle werden missbraucht, um Zwietracht in Palästina zu säen. Auf Jerusalem haben weder Christen, Muslime noch Juden einen Exklusivitätsanspruch. Die Stadt ist allen drei Weltreligionen gleichermaßen heilig. Nicht ohne Grund bildet die Stadt nach Völkerrecht einen „corpus seperatum“. Da Besatzung ein Unrecht ist, sind zu deren Beseitigung „alle zur Verfügung stehenden Mittel erlaubt“, wie es der 2007 verstorbene Soziologieprofessor Baruch Kimmerling einst in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ ausgedrückt hat, um die Freiheit wiederzugewinnen. 

Seit der israelischen Besatzung geht die Zahl der Christen in Palästina ständig zurück. Nicht islamische Extremisten, wie die zionistisch-israelische Hasbara (Propaganda) behauptet, machen den Christen das Leben schwer, sondern Israels brutale Okkupation, die täglichen Schikanen an den Kontrollpunkten, die Allmacht des israelischen Militärs, das Passierschein-Regime, das Eingemauert sein, die Behandlung als „Bürger“ dritter Klasse u. v. a. m. Die Schikanen der Kolonisatoren sind es, welche die Christen veranlassen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Erinnert sei an die 40-tägige Belagerung der Geburtskirche in Bethlehem durch das israelische Militär in 2002. 

Selbst im einst „christlichen“ Bethlehem sind die Christen zur Minderheit geworden. Stellten sie seit 1950 noch die Mehrheit, sank ihre Zahl auf zwölf Prozent, Tendenz sinkend. Viele der Christen wandern in die USA und nach Europa aus. So leben z. B. alle fünf Kinder des ehemaligen christlichen Bürgermeisters von Bethlehem im Ausland. Jetzt wird die Stadt erstmalig von einer Frau regiert. Kaum einer der Ausgewanderten gibt als Grund auch die zunehmenden Spannungen zwischen der christlichen Minderheit und der muslimischen Mehrheit an. 

Seitdem die Hamas den Gaza-Streifen verwaltet, wird seitens einiger westlicher Scharmacher immer wieder behauptet, dass der Druck auf die zirka 1 700 Christen zunehme und sie keine Zukunft mehr hätten. Dass einige christliche Frauen auch das Kopftuch tragen, was auch viele muslimische Frauen nicht nur in Palästina, sondern auch in der „säkularen“ Türkei wieder tun, kann nicht als Beleg für einen angeblichen Druck seitens der Muslime auf Christen interpretiert werden. Auch in Iraq, das bis zu Saddams Sturz das säkularisierteste Land der arabischen Welt war, tragen seit Bushs gewaltsamen „Regimechange“ fast alle Frauen wieder Kopftuch. 

Im Gaza-Streifen ist jedoch das Verhältnis zwischen der christlichen Minderheit und der muslimischen Mehrheit ausgezeichnet, wie Stuart Littlewood in seinem Beitrag „Christmas Message from the Holy Land; ‚Act and Intervene‘“, zeigt. Anstatt Irak zu überfallen, Afghanistan und Libyen anzugreifen und zu zerstören, sollte der Westen auf Seiten des besetzten palästinensischen Volkes intervenieren, um den Menschen Freiheit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Würde und ihre Rechte zurückzubringen.

Als kurz vor Weihnachten 2010 einer Dreierdelegation von Christen aus Palästina und dem Weltkirchenrat Irland bereiste, war ihre zentrale Botschaft: „Wir verlangen nur eine Sache von der Welt, uns gegen die Verbrechen Israels zu schützen.“ Ihr Plädoyer war klar: „Handelt und interveniert, sonst wird sich nichts ändern.“ Pater Manuel Musallam aus Gaza sagte über das Massaker an der Zivilbevölkerung um die Jahreswende 2009/09: „Was in Gaza geschah, war kein Krieg. Ein Krieg ist ein Kampf zwischen Soldaten, Flugzeugen und Waffen. Wir waren Opfer, nur Opfer. Sie zerstörten Gaza. Ich war dort und sah mit meinen eigenen Augen, was passiert ist. Wir in Gaza wurden wie Tiere behandelt (...) Wir sind keine Terroristen. Wir haben nicht Israel besetzt.“ 

Das israelische Militär setzte sogar Phosphorgranaten ein, die durch das Völkerrecht geächtet sind. Der Goldstone-Bericht hat Israel Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit attestiert. Die palästinensische Autonomiebehörde sollte umgehend Klage beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einreichen, damit die damals Verantwortlichen für das Massaker zur Rechenschaft gezogen werden. Dasselbe sollte die libanesische Regierung tun, da beim israelischen Bombardement 2006 1 200 Menschen ums Leben gekommen sind. Weiter sollte die Autonomiebehörde Klage gegen die israelischen Kolonien in der Westbank vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag einreichen.

Der palästinensische Jude Jesus hatte vor 2 000 Jahren die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben. Heute würde er bestimmt der rechtsnationalistischen israelischen Regierung Mores lehren. Er würde auf der Seite seines Volkes, den Palästinensern, stehen und auf seine Weise Widerstand leisten. Was aber tun dagegen seine Nachkommen in seinem Namen? Sie führen einen Krieg nach dem anderen gegen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft, den Islam. 

Nicht nur in Palästina, sondern auch in anderen muslimischen Ländern ist die Lage der Christen mehr als prekär, obwohl aus völlig anderen Gründen. Vor den Hintergrund der Gewalt islamistischer Extremisten hat die Mehrheit der irakischen Christen das Land verlassen; es gibt nur noch Restbestände christlicher Gemeinden in Mosul, Kirkuk, Basra oder Bagdad. Auch in Syrien werden die Christen und andere Minderheiten von Teilen der so genannten Aufständischen jetzt schon bedroht. Das Asad-Regime wird untergehen, davon geht selbst die russische Schutzmacht aus, aber was passiert mit den Menschen – den Alewiten, Drusen und Christen? Dem Westen und den Saudis sei jetzt schon „gedankt“, wenn sich durch deren tatkräftige Unterstützung in Syrien ein weiteres radikales, fundamentalistisches Regime etabliert, welches die religiösen Minderheiten massakrieren wird. So haben die Aufständischen in der syrischen Stadt Aleppo bereits eine „Religionspolizei“ etabliert, und zwei überwiegend christlichen Orten in Zentralsyrien mit der Erstürmung gedroht. Aber die wirklichen Feinde des Westens, der Demokratie und der Freiheit sitzen in Saudi-Arabien. Sie gießen in Syrien weiter Öl ins Feuer und finanzieren unberechenbare Aufständische für einen schmutzigen Krieg. 

Saudische Petro-Dollar werden zur Verbreitung der fundamentalistischsten Variante des Islam weltweit eingesetzt, um einen „Regimechange“ in den Ländern der arabischen Welt im Sinne Saudi-Arabiens zu bewerkstelligen, mit dem einzigen Ziel, den Einfluss des schiitischen Iran zu schwächen und zurückzudrängen. Die Unterwanderung des Mursi-Regimes in Ägypten durch die Saudis ist im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereiche weit fortgeschritten. Durch die Muslim-Bruderschaft gelang es den Saudis, Einfluss nicht nur auf das Bankensystem zu gewinnen. Einige politische Beobachter sehen Saudi-Arabien als die größte Bedrohung für ein demokratisches Ägyptens an. Auch in Ägypten kam es in jüngster Zeit immer wieder zu Übergriffen gegenüber der koptischen Religionsgemeinschaft, die zirka zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht. Sollten die christlichen und die anderen religiösen Minderheiten zu den Verlierern des „arabischen Frühlings“ gehören, obgleich sie Großes für ihre jeweiligen Gesellschaften geleistet haben? 

Für die prekäre Lage der ursprünglichen Christen in den muslimischen Ländern trägt „der Westen“ aufgrund seiner diversen Militärinterventionen die Hauptverantwortung. Zu Unrecht werden die Christen in Haftung für die Kriegsverbrechen des Westens genommen. Im ansonsten so dämonisierten Iran können Christen und Juden ihren Glauben völlig frei praktizieren. Nur die Glaubensgemeinschaft der Bahei leidet unter massiver Verfolgung durch das Regime. 

Wenn der Westen für christliche Glaubensgemeinschaft und andere verfolgte Minderheiten etwas tun will, sollte er seine Militärinterventionen stoppen und sich aus den inneren Angelegenheiten der arabischen Länder und der muslimischen Welt heraushalten. Mit geschickter Diplomatie erreicht man mehr als durch brutale Gewalt. Merry Xmas!