Jahr für Jahr werden israelische Jungen und Mädchen nach Beendigung der High School (Gymnasien) zum Militärdienst eingezogen und befinden sich plötzlich mitten im israelisch-palästinensischen Konflikt. Dieser nahtlose Übergang bedarf intensiver ideologischer Vorbereitung. Die Sozialisation ins Militär werde durch das Bildungssystem erreicht, und zwar anhand von Schulbüchern, so eine zentrale These dieses Buches. Auf einfühlsame Weise hat dies Nurit Peled-Elhanan von der Hebräischen Universität in Jerusalem getan, an der sie Sprach- und Erziehungswissenschaften lehrt.
Sie gehört zu den renommiertesten Vertreterinnen ihres Faches nicht nur in Israel, sondern auch über dessen Grenzen hinaus. Auch als Friedensaktivistin hat sie sich einen Namen gemacht. Einer größeren Öffentlichkeit wurde sie durch ihre außergewöhnliche Erklärung zum tragischen Tod ihrer 13-jährigen Tochter Smadar bekannt. Sie machte nicht die palästinensischen Selbstmordattentäter für die Tat verantwortlich, sondern die israelische Besatzungspolitik. „Terroristische Anschläge wie diese sind die direkte Folge der Unterdrückung, Sklaverei, Erniedrigung und des verhängten Belagerungszustandes über die Palästinenser.“
Israelische Regierungskreise behaupten immer wieder, dass palästinensischer Kinder angeblich zum „Hass gegen Israel“ erzogen werden würden. So erklärte z. B. auf dem Höhepunkt des Gaza-Massakers um die Jahreswende 2008/09 die israelische Außenministerin Tzipi Livni: „Die Palästinenser lehren ihren Kindern uns zu hassen, wir dagegen lehren, deinen Nächsten zu lieben.“ Spätestens seit dem Buch „Palestine in Israeli School Books“ erweist sich diese israelische Behauptung als pure Rhetorik.
Nurit Peled-Elhanan hat zahlreiche Textbücher, die an israelischen High Schools Pflichtlektüre sind, einer gründlichen Ihnhaltsanalyse unterzogen; sie kommt zu einem erschütternden Ergebnis: Die Textbücher steckten voller rassistischer, antiarabischer Klischees, die nicht über die dortigen „israelischen Araber“ aufklärten, sondern „die anderen“, sprich die ursprünglichen Bewohner Palästinas, marginalisierten, karikierten und dämonisierten. Der Name „Palästinenser“ werde nur im Zusammenhang mit „Terrorismus“ verwendet. In keinem der untersuchten Textbücher werde irgendetwas Positives über die „israelischen Araber“ gesagt, sei es im kulturellen, sozialen, literarischen, historischen, traditionellen oder agrarischen Sektor, obgleich sie 20 Prozent der israelischen Bevölkerung stellen, von den zirka fünf Millionen Palästinensern in den besetzten Gebieten gar nicht zu sprechen. Sie werden nur als „palästinensisches Problem“ dargestellt. In den Schulbüchern dominiere ein „rassistischer Diskurs“.
Nurit Peled-Elhanan hat zahlreiche Textbücher, die an israelischen High Schools Pflichtlektüre sind, einer gründlichen Ihnhaltsanalyse unterzogen; sie kommt zu einem erschütternden Ergebnis: Die Textbücher steckten voller rassistischer, antiarabischer Klischees, die nicht über die dortigen „israelischen Araber“ aufklärten, sondern „die anderen“, sprich die ursprünglichen Bewohner Palästinas, marginalisierten, karikierten und dämonisierten. Der Name „Palästinenser“ werde nur im Zusammenhang mit „Terrorismus“ verwendet. In keinem der untersuchten Textbücher werde irgendetwas Positives über die „israelischen Araber“ gesagt, sei es im kulturellen, sozialen, literarischen, historischen, traditionellen oder agrarischen Sektor, obgleich sie 20 Prozent der israelischen Bevölkerung stellen, von den zirka fünf Millionen Palästinensern in den besetzten Gebieten gar nicht zu sprechen. Sie werden nur als „palästinensisches Problem“ dargestellt. In den Schulbüchern dominiere ein „rassistischer Diskurs“.
Werde über die Brutalität der israelischen Soldaten in den besetzten Gebieten berichtet, käme immer wieder die Frage auf, wie denn diese „ netten“ Jungen und Mädchen zu solchen Taten fähig seinen. Obwohl die überwiegende Mehrheit der israelischen Schülerinnen und Schüler eine aufgeklärte und liberale Schulbildung genössen, müsse die Frage beantwortet werden, warum sie in den besetzten Gebiete „zu solchen schrecklichen Monstern mutierten“. Peled-Elhanans Antwort lautet: „Die Menschen wollen nicht wirklich wissen, was ihre Kinder in den Lehrbüchern lesen.“ Dass Zerrbild über die „israelischen Araber“ und die „terroristischen Palästinenser“ spräche nicht nur aus den Texten, sondern ebenso aus den Illustrationen. Es gebe in allen Textbüchern kein einziges Bild, das die „Araber“ als „normale Menschen“ zeige. Dies bezeichnete die Autorin als „Strategie negativer Repräsentation“.
So würden die Massaker, die im Laufe des Staatswerdungsprozeses begangen worden seien, nicht geleugnet, sondern als etwas Gutes und Notwendiges angesehen, das die Gründung des Staates Israel gefördert habe. Ebenso werde das Töten von Palästinenser als eine notwendige „Überlebensmaßnahme“ des entstehenden jüdischen Staates dargestellt. Jene, die dies als eine Abweichung vom Zionismus versuchen zu rechtfertigen, hätten eine unzureichende Kenntnis darüber, was Zionismus eigentlich bedeute und welche zentrale Rolle er in dieser „offensichtlich rassistischen Ideologie“ und bei der Rechtfertigung von „ethnischer Säuberung“ und „rassistischer Herrschaft über die Palästinenser“ spiele. In diesem Zusammenhang verweist die Autorin auf die Unterstützung des israelischen Überfalls auf den Gaza-Streifen in 2008/09, bei dem 1 400 Menschen ums Leben kamen. 95 Prozent der befragten Israelis unterstützen diese Attacke.
Gegenüber den 1990er-Jahren habe es einen großen Rückschritt gegeben. In der Folge des so genannten Friedensprozesses sei es für einen kurzen Zeitraum möglich gewesen, auch die palästinensische Sichtweise in Schulbüchern in Umrissen darzustellen. Seit 9/11und der Regierungszeit von Ariel Sharon wurden selbst diese winzigen Fortschritte wieder zunichte gemacht. Einige Textbuch-Autoren mussten ihre vorherige „liberalere“ Darstellungsweise revidieren. Die Lebenswelt der Palästinenser finde im israelisch-jüdischen Narrative einfach nicht statt. Dies drücke sich auch in den abgedruckten Landkarten aus, auf denen es einerseits kein „Palästina“ mehr gibt, wenn es andererseits jedoch umrisshaft eingezeichnet sei, erscheine es als „weißes“ Gebiet und vermittele dadurch den Eindruck, als sei es „unbewohnt“. Man spreche nur vom „Land Israel“ (Eretz Israel) und nicht vom Staat Israel, was ein großer Unterschied sei.
Die vorliegende Textanalyse von Peled-Elhanan lässt die Interpretation zu, dass es sich in Wahrheit um einen zionistisch-palästinensischen Konflikt handelt und nicht um einen jüdisch-palästinensischen. Die Palästinenser in Palästina hatten und haben kein Problem mit „Juden“, sondern ausschließlich mit „Zionisten“. Dies wird seitens der Palästinenser immer wieder betont.
Das Buch gibt eine in israelischen Schulbüchern erkennbaren „Erziehung zum Hass“ eine neue Bedeutung. Eine Übersetzung ins Deutsche ist sehr zu empfehlen. Das Buch würde dem oft verschwommenen Israelbild endlich wieder klare Konturen verleihen. Es wäre darüber hinaus für den Kampf gegen Rassismus sehr gut geeignet, zeigt es doch, wie man staatlicherseits mit Menschen, die eine andere Lebenswelt haben, nicht umgehen sollte. Für jeden Nahost-Interessierten beantwortet es die Frage, warum dies ein unendlicher Konflikt ist. Eine überaus spannende und erhellende Lektüre.
Erschienen auch hier.
Erschienen auch hier.