„Souveränitätskonferenz“ erzielt bei Google zirka 15 000 Treffen. Darunter befinden sich aber keine Berichte über die am 24. November 2012 an der Freien Universität Berlin vom „Compact-Magazine“ in Kooperation mit dem russisch-französischen „Instítut de la Démocratíe et de la Coopération“ veranstalteten Konferenz, an der über 700 Interessierte teilnahmen. Diese hochkarätig besetzte Veranstaltung scheint nicht das Interesse der Medien gefunden zu haben. Bereits im Vorfeld geriet die Leitung der FU unter Beschuss extremistischer Kreise, die auf Raumentzug plädierten. Diese Attacken scheinen auch den Präsidenten nicht unbeeindruckt gelassen zu haben.
Jürgen Elsässer, Chefredakteur von „Compact“, sagte zum Verhalten der Uni-Leitung Folgendes: „Umso befremdlicher ist es, dass uns die Freie Universität nicht gestattet hat, die heutigen Debatten audiovisuell mitzuschneiden. Man muss sich das vorstellen: Uns als Veranstaltern wird verboten, unsere eigene Veranstaltung zu filmen. Oder mit Blick auf unsere Redner: Der Präsident der FU verbietet, dass die heutige Rede des ehemaligen Vize-Präsidenten der Sorbonne, Professor Edouard Husson, weiterverbreitet wird. Will die FU erreichen, dass die Debatte über die fehlende deutsche Souveränität diesen Saal nicht verlässt? Oder anders gesagt: Will die FU ihrem eigenen Namen – Freie Universität – spotten? Die Behinderung der Verbreitung der Inhalte dieser Souveränitätskonferenz ist selbst ein Ausdruck dafür, wie unselbständig und duckmäuserisch es in unserem Land zu geht, also wie notwendig diese Konferenz heute ist. Ich entschuldige mich bei unseren geschätzten Gästen für dieses skandalöse Verhalten der Universitätsleitung und bitte Sie alle, sich davon nicht einschüchtern zu lassen. “ Hat der Präsident der FU vielleicht vergessen, warum diese Universität gegründet worden ist?
Damit war Elsässer mitten im Thema der Konferenz: der Souveränität Deutschlands oder dessen fehlende Souveränität. Auf einer Finanztagung 2011 habe Finanzminister Wolfgang Schäuble gesagt, dass Deutschland zu keinem Zeitpunkt seit dem 8. Mai 1945 souverän gewesen sei. Damit habe er noch „untertrieben“, weil seit der Wiedervereinigung die Souveränitätsrechte in einem rasanten Tempo abgebaut worden seien. „Wie kann man von einem selbständigen Staat reden, ja von einem Staat überhaupt, wenn es keine Grenzsicherheit, kein eigenes Geld, keine Haushaltsautonomie und keine eigene Armee mehr gibt?" Ginge diese Entwicklung so weiter, schaffe sich Deutschland ab, sagte Elsässer. Dass die Nicht-Souveränität der Bundesrepublik Deutschland keine Marotte einiger „Außenseiter“ sei, wurde in der Sendung „Frontal 21“ im ZDF deutlich. Dort kam der renommierte Staatsrechtler Josef Foschepoth von der Universität Freiburg zu Wort: „Es kann sich keine Bundesregierung heute leisten, die Forderungen der Alliierten zu verweigern.“
Neben der Frage der fehlenden Souveränität Deutschlands wurden weitere Themen wie die Rolle der Nationalstaaten in Europa, die Allmacht der Brüsseler Bürokratie, der Euro und der „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ (ESM), die geopolitische Verantwortung Deutschlands gegenüber Russland und China und die zentralen Beziehungen zu Frankreich diskutiert. Weiterhin wurde die Nato als ein globales Instrument der Kriegsführung nach dem Willen der USA kritisch unter die Lupe genommen. „Die heutigen Versuche des Westens, die Welt von bösen Diktatoren zu reinigen, könnte das letzte Aufbäumen der NATO vor dem Gang in die Bedeutungslosigkeit sein“, dozierte Alexander Rahr.
Was die Rednerliste anbelangt, kann man nur sagen: Chapeau! Es seien nur die Prominentesten erwähnt: Valentin Falin, von 1971 bis 1978 Botschafter der UdSSR in Bonn, Natalja Naroschinskaya, Abgeordnete in der Duma und Vize-Präsidentin des Auswärtigen Ausschusses, Peter Scholl-Latour, Journalist und Sachbuchautor, Helmut Schäfer, langjähriger Staatsminister im Auswärtigen Amt, Willy Wimmer, CDU-Bundestagsabgeordneter und von 1988 bis 1992 Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsrechtler emeritus an der Universität Nürnberg-Erlangen, Edouard Husson, Historiker und Deutschland-Spezialist, John Laughland, britischer Journalist und Völkerrechtler, Nicolas Dupont Aignan, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung und seit 1995 Bürgermeister der Stadt Yerres, Alexander Rahr, Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums, u. v. a. m.
Es wurden Lösungen vorgestellt, die nicht nur für Deutschland, sondern für den gesamten Kontinent förderlich sind. Viele stimmten der These zu, dass immer, wenn es zwischen Paris, Berlin und Moskau politisch funktionierte, Frieden und Prosperität in ganz Europa herrschten. Das US-amerikanische Russland-bashing sollte nicht länger von Europa hingenommen werden. „Ich verstehe nicht, warum Deutschland ständig diesen Wertekonflikt mit Russland führt. Wollen wir den Russen Demokratie mit Gewalt einimpfen? Die Russen reagieren zunehmend aggressiver auf Belehrungen vom Westen“, so Alexander Rahr. Ziel müsse ein souveränes Deutschland in einem Bund souveräner und gleichberechtigter Nationalstaaten sein. Über die Europäische Union gab man sich keinerlei Illusionen hin. Nicolas Dupont Aignan beschrieb das EU-Europa wie folgt:
„Europa ist ein bisschen wie ein Mehrfamilienhaus. Stellen Sie sich vor, dass Sie eine Eigentumswohnung besitzen und die Hausverwaltung sich in Ihre Inneneinrichtung und Ihre Essgewohnheiten einmischt, sich aber nicht um die Sauberkeit der Eingangshalle, die Pflege des Gartens oder das Funktionieren der Klingeln und der Hausantenne kümmert. Genau das tun die Bürokraten der Kommission in Brüssel: Sie erlassen immer mehr kleinliche Normen und öffnen unsere Länder einer ungebremsten Zuwanderung. Sie machen Europa den Europäern madig, befeuern regionale Spaltungen und zerstören nationale Identitäten.“ Gleichzeitig kehrten die Instanzen Europas den grundlegenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts den Rücken.
Wie dramatisch der Souveränitätsverlust Deutschlands bereits ist, macht Elsässer deutlich. Das wiedervereinigte Deutschland habe, im Unterschied zur alten Bundesrepublik, die Kontrolle über seine Grenzen verloren und werde zum Ziel einer unkontrollierbaren Zuwanderung. Das größere Deutschland habe im Unterschied zur alten Bundesrepublik seine Währungshoheit eingebüßt; die stabile Deutsche Mark wurde abgeschafft, und die Bundesbank spiele innerhalb der Europäischen Zentralbank nur noch eine Statistenrolle. Des Weiteren habe der Deutsche Bundestag sein Königsrecht über den Haushalt an alle möglichen nicht gewählten Euro-Rettungsschirm-Agenturen verpfändet. Dem neuen Deutschland sei, im Unterschied zur alten Bundesrepublik, die Verteidigungsfähigkeit verloren gegangen, und die Wehrpflicht sei abgeschafft und unsere Territorialarmee auf dem Weg in eine globale Eingreiftruppe, um die US-Kriegszüge zu unterstützen, wenn sie nicht durch den Verteidigungsauftrag der NATO gedeckt seien, wie das Afghanistan-Abenteuer zeige.
Fast alle Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass die fehlende Souveränität, die Allmacht der demokratisch nicht legitimierten EU-Funktionäre, die Rolle der Nationalstaaten, das Desaster mit der Euro-Währung und ein geopolitisches Umdenken in der Bundesrepublik nicht länger unter den Teppich gekehrt werden dürften. Nicolas Dupont Aignan brachte es auf den Punkt: „Entweder unterwerfen wir uns weiter einer wildgewordenen Technokratie, und die Europäische Union wird ein katastrophales Ende nehmen. Oder es gelingt uns, gemeinsam Europa eine neue Gestalt zu geben und im Einvernehmen mit den USA im Westen, Asien im Osten und der arabischen Welt im Süden für Frieden und sozialen Fortschritt sorgen.“ Der französische Schriftsteller Victor Hugo sagte einmal: „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Der medialen Klasse ist ein Highlight entgangen.